Sündige Gier
an die Schulter, trotzdem wirkte sie nicht weniger entschlossen als ihr Partner.
Die beiden standen in komischem Kontrast zueinander, trotzdem bildeten sie ein schlagkräftiges Paar. Obwohl Derek todmüde war, durchzuckte ihn der Gedanke, dass er die beiden nicht auf seiner Fährte haben wollte, wenn er ein Verbrecher auf der Flucht wäre.
Wieder zurück zur Nachrichtensprecherin. »Julie Rutledge, eine enge persönliche Freundin von Mr Wheeler, die an seiner Seite war, als er niedergeschossen wurde, traf sich heute Nachmittag ein weiteres Mal mit der Polizei. Nach der Besprechung äußerte sie sich wie folgt.«
Schnitt zu einer Außenaufnahme der Polizeistation, wo vor dem Haupteingang eine Frau von einer Horde Reporter belagert wurde, die ihr Mikrofone ins Gesicht streckten und Fragen brüllten, während die Kamera langsam zu einer Nahaufnahme heranzoomte.
Derek schoss so schnell aus dem Bett, dass Maggie aufsprang und zweimal scharf bellte.
Er konnte gerade noch das Bild einfrieren, dann fiel ihm die Fernbedienung aus der Hand. Sie landete ungebremst und schmerzhaft auf seinem linken großen Zeh. Nackt, die Hände in die Hüften gestemmt, starrte er auf den Bildschirm. Dann fuhr er sich mit der Hand durchs Haar, drehte sich dreimal in der Schlafzimmermitte im Kreis und knallte zuletzt die Faust in die andere Hand.
»Verfluchter Mist!«
6
Julie drehte den Hahn zu, wrang das Wasser aus ihren Haaren, trat aus der Dusche und griff nach dem Handtuch. Der Spiegel über dem Waschbecken war beschlagen, sodass sie sich nur als schemenhaftes Abbild erkennen konnte. Trotzdem stach ihr aus den Augen scharfer Tadel entgegen.
Verlegen vergrub sie das Gesicht im Handtuch, um sich den Selbstvorwürfen zu entziehen. Doch der Versuch, sich vor ihrer Scham zu verstecken, blieb erfolglos. Würde sie sich je wieder im Spiegel ansehen können?
Ja, auf jeden Fall. Es ging nicht anders. Für Selbstzweifel war es jetzt zu spät.
Sie trocknete sich hastig ab und schlüpfte in einen Pyjama. In der Küche schenkte sie sich ein Glas Orangensaft ein, das sie ins Schlafzimmer mitnahm. Dort setzte sie sich aufs Bett, griff nach dem Telefon und rief in der Galerie an. »Chez Jean. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Willst du bei mir Eindruck schinden, indem du Überstunden schiebst?«
»Hey, du bist wieder da! Wie war die Reise? Was sagen die Pariser?«
Für ihre Kunden war sie Katherine Fields. Für Julie war sie nur Kate. Wenn sie in der Galerie ans Telefon ging, hätte jeder Anrufer darauf gewettet, dass sie Französin war. Ihre Aussprache des Galerienamens - ein Überbleibsel vom Vorbesitzer, dem Julie das Unternehmen abgekauft hatte - war perfekt.
Aber sobald Kate mit Julie sprach, fiel sie in den heimischen Südstaatenslang zurück. Sie zeichnete sich durch einen natürlichen Elan aus, der aus ihrem schlaksigen Körper sprudelte wie Schaum aus einer Champagnerflasche.
Mit fünfundzwanzig war Kate fast ein Jahrzehnt jünger als Julie, trotzdem hatte sie einen Abschluss in Französisch und Kunstgeschichte. Julies Kunden vergötterten sie, nicht nur wegen ihrer Stilsicherheit und ihrer charmanten Art, sondern weil sie sachkundiger war, als man es einer so jungen Frau zugetraut hätte. Sie verließen sich völlig zu Recht auf Kates Urteil.
»Ja, ich bin wieder da«, sagte Julie. »Wieso ist so spät noch geöffnet?«
»Die Tür ist bereits abgeschlossen. Ich habe nur noch schnell das Büro aufgeräumt und wollte gerade gehen. Aber erzähl mir von deiner Reise. Wie war’s in Paris?«
»Bezaubernd wie immer, allerdings habe ich kaum etwas von der Stadt zu sehen bekommen.«
»Ich habe dir gesagt, du sollst länger bleiben.«
»Ich habe alles erledigt, was ich mir vorgenommen hatte.«
»Du hast das Bild gekauft?«
Das war ihr Vorwand für die plötzliche Reise gewesen. »O ja. Und zwei weitere desselben Künstlers. Wir sind die erste Galerie in den Vereinigten Staaten, die seine Arbeiten zeigt, und er hat mich im Hotel besucht, um sich bei mir zu bedanken. Er hat meine Hand mit Küssen bedeckt. Sehr überschwänglich. Sehr französisch.«
»Niedlich?«
»Auf diese exaltierte europäische Art.«
»Hm. Nicht mein Typ«, bedauerte Kate. »Die Gemälde sind schon unterwegs. Wir müssten sie nächste Woche bekommen.«
»Morgen hänge ich mich ans Telefon und verbreite die gute Nachricht.«
»Gute Idee. Wir sehen uns dann morgen früh.«
»Schlaf dich aus«, riet Kate ihr. »Du bist so schnell heimgeflogen, dass du
Weitere Kostenlose Bücher