Sündige Gier
Wheeler konnte nicht wissen, welchen Flug ich nehme.«
»Haben Sie sie kennengelernt?«
»Noch nicht.«
»Sie ist… ich meine das nicht so abfällig, wie es klingen wird. Aber sie ist nicht besonders schlau und leicht zu manipulieren. Ich habe so getan, als hätte Doug mir erzählt, dass er Sie verpflichten wollte, und Sharon dann gefragt, ob das geklappt hätte. Sie sagte, dass Sie in Paris seien und erst am Achtzehnten zurückerwartet würden und dass Doug Sie dann zu sehen hoffte.«
»Sie haben einfach so beschlossen, mich in Paris zu überfallen?«
»Mir kam das wie ein guter Plan vor.«
Er unterdrückte ein Lachen. »Verglichen womit? Mit einem Bombenanschlag? «
»Es war ein gewagter Schritt, stimmt. Aber ich musste Sie abfangen, bevor Sie mit Doug sprachen. Sharon hatte mir erzählt, dass Sie mit Ihrer Familie verreist wären, das sah ich als Vorteil. Sie waren bestimmt entspannt. Sie würden nicht so aufpassen. Sie würden nicht damit rechnen…«
»Aufs Kreuz gelegt zu werden. In jeder Hinsicht.«
Sie ging nicht darauf ein. »Delta Airlines fliegt viermal täglich von Charles de Gaulle nach Atlanta. Falls Doug noch am Nachmittag nach Ihrer Rückkehr einen Termin bei Ihnen machen wollte, war davon auszugehen, dass Sie den frühesten Flug nehmen würden.«
»Und wenn nicht?«
»Dann hätte ich mir umsonst ein Erste-Klasse-Ticket gekauft.«
»Und mich nicht flachlegen können.«
»Falls das nicht geklappt hätte, hätte ich mir eine andere Gelegenheit gesucht.«
»Für einen Geschlechtsakt?«
Sie wich seinem Blick aus. »Nicht unbedingt. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, was ich tun würde. Ob ich Sie nicht einfach anflehen sollte. Mit Ihnen reden sollte. An Ihren Anstand oder Ihren Gerechtigkeitssinn appellieren sollte. Aber…« Sie zuckte mit den Schultern.
»Sie glauben nicht, dass ich etwas davon besitze.«
Sie widersprach ihm nicht. »Nach dem, was ich über Sie gelesen hatte, fürchtete ich, dass diese Taktik nicht erfolgreich wäre.« Sie sah ihn kurz an und fragte dann aus reiner Neugier: »Haben Sie eigentlich Gewissensbisse, wenn ein Mandant Ihretwegen freikommt, obwohl Sie wissen, dass er ein schreckliches Verbrechen begangen hat?«
»Glauben Sie an die Rechte, die unsere Verfassung gewährt?«
»Natürlich.«
»Da haben Sie die Antwort. Außerdem sind Sie vom Thema abgekommen. Warum die Verführungstaktik?«
»Das erschien mir die einfachste und effektivste Methode, Sie in eine peinliche Lage zu bringen.«
»Wie jede Frau seit Eva weiß.«
»In einem Flugzeug hat man das Gefühl, von allem losgelöst zu sein. Die Regeln scheinen dort außer Kraft gesetzt.«
»Was in der Luft passiert, bleibt in der Luft?«
»So in etwa.«
»Sie haben mir Wodka eingeflößt, während Sie Virgin Marys tranken. Ja, so viel habe ich mir inzwischen zusammengereimt. Sie haben die Stewardess gebeten, Ihnen alkoholfreie Drinks zu mixen, während ich mir einen ansaufen durfte.«
»Ich habe Ihnen die Drinks nicht unter Zwang eingeflößt.«
»Nein, aber Sie haben dafür gesorgt, dass ich mich möglichst gut amüsiere, nicht wahr? Enger Rock. Highheels. Sie Ärmste. Die betrogene Frau mit dem angeschlagenen Ego. Die Story mit dem fremdgehenden Ehemann, war das Fakt oder Fiktion?«
»Fakt. Nur nicht zu diesem Zeitpunkt.«
»Hm. Haben Sie sich darum von ihm scheiden lassen?« Sie sah ihn scharf an, und er sagte: »Ich habe mich ebenfalls schlau gemacht.«
Sie ließ sich nicht weiter über ihre gescheiterte Ehe aus. Ein paar Sekunden lang erwiderte er ihren Blick, dann absolvierte er einen gemächlichen Rundgang durch den Salon und begutachtete die ausgestellten Gemälde. Vor einem blieb er stehen, stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete es so eindringlich, dass Julie fürchtete, er könnte mit seinem Blick ein Loch in die Leinwand brennen. Schließlich fragte sie: »Wann haben Sie es herausgefunden?«
»Wer Sie sind? Gestern Abend. Ich habe die Nachrichten gesehen. Sie können sich vorstellen, wie überrascht ich war. Da standen Sie, meine rätselhafte Flugbekanntschaft, in Hochauflösung vor mir. Diesmal fiel auch Ihr Name, zu meiner großen Freude. Julie Rutledge. Aber Moment mal. Julie Rutledge ist bis über beide Ohren in einen schlagzeilenträchtigen Kriminalfall verwickelt, der - das ist so ein Zufall, dass es kein Zufall mehr sein kann - mir gerade eben angetragen wurde.
Und plötzlich ergibt Ihre rätselhafte Bemerkung zum Abschied >Das war’s dann wohl< einen Sinn.
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