Sündige Gier
eindeutig zum Zeitpunkt des Überfalls im Hotel, aber er taucht nicht auf den Überwachungsbändern aus der Garage auf, und er hat auch keinen Wagen vorfahren lassen.«
»Wir vermuten, weil er nicht wollte, dass wir den Wagen zu ihm zurückverfolgen«, sagte Kimball. »Der Kamera zufolge hat er das Hotel um zwölf Uhr zweiundvierzig betreten und um drei Uhr fünfzehn wieder verlassen, etwa zum selben Zeitpunkt, in dem der Lift die Lobby erreichte und das größte Chaos herrschte.«
»Der Lift hat zwischen dem achten Stock und der Lobby nicht mehr angehalten. Konnte er wirklich so schnell nach unten kommen?«, fragte Julie.
Kimball nickte. »Er musste sich darauf verlassen, dass alle unter Schock standen. Bis unser junger Mann aus Kalifornien sich weit genug gesammelt hatte, um die Aufzugtür zu schließen und den Knopf fürs Erdgeschoss zu drücken, hätte unser Täter ins Treppenhaus flüchten, den Jogginganzug ablegen, in seine Schuhe schlüpfen und die acht Stockwerke ins Erdgeschoss laufen können. Er hätte wie ein Irrer rennen müssen, aber wir haben das von ein paar Kollegen, Sanford hier eingeschlossen, nachstellen lassen. Es ist zu schaffen.«
»Er ist kein Angestellter«, sagte Sanford. »Das Management hält ihn auch nicht für einen Gast. Niemand an der Rezeption kann sich erinnern, dass er eingecheckt hätte, und diese Leute sind darauf trainiert, sich Gesichter und Namen zu merken. Das Moultrie ist auch darum für seinen Service berühmt, weil die Gäste dort gleich nach der Ankunft mit Namen begrüßt werden. Der Portier an der Tür ist überzeugt, dass er ihn gesehen hat, aber er kann sich nicht erinnern, dass der Mann irgendwann Gepäck dabeigehabt hätte oder dass er ihm einen Pagen geholt oder ihn an die Rezeption geschickt hätte.«
»Niemand kann sich erinnern, dass irgendwer so gesprochen hätte, wie Sie und die anderen Fahrgäste im Lift es beschrieben haben«, ergänzte Kimball.
Vor ihrer Reise nach Frankreich hatte Julie mehrere Stunden damit zugebracht, die unterschiedlichsten Stimmaufnahmen anzuhören, aber damit hatten sie nur ihre Zeit verschwendet. »Die anderen aus dem Lift?«, fragte sie jetzt. »Die haben doch auch die Aufnahmen angehört…«
»Und sie haben das Gleiche gesagt wie Sie. Keine Stimme passt hundertprozentig, also ist das eine Sackgasse.«
Nach einer kurzen Pause fuhr Sanford fort: »Wir befragen auch alle, die an jenem Tag im Hotel an einer Konferenz teilgenommen haben. Wir warten noch ab, ob er irgendwo dazugehört hat. Ein Zimmermädchen glaubt sich zu erinnern, dass sie ihn an jenem Tag in einer der Gästezimmeretagen gesehen hat, aber sie ist sich nicht sicher.«
»Sie ist sich nicht mal sicher, ob der Himmel blau ist«, kommentierte Kimball trocken. »Sie ist sich nicht sicher, in welcher Etage sie ihn gesehen hat oder ob es überhaupt derselbe Typ war, sie bleibt einfach in allem vage. Wir zählen lieber nicht auf sie. Ich persönlich glaube, sie behauptet nur, ihn gesehen zu haben, um sich wichtig zu machen.«
»Wir zeigen dieses Bild unter den Hotelgästen herum«, fuhr Sanford fort. »Aber das ist eine Sisyphusarbeit. Inzwischen sind fast zwei Wochen vergangen. Die Menschen sind in alle Winde zerstreut. Ein paar sind inzwischen im Ausland. Wir brauchen also eine Ewigkeit für die Überprüfung, und vielleicht wird er irgendwann als harmloser Besucher identifiziert, der jemanden während eines Hotelaufenthalts besucht hat, und dann dürfen wir wieder ganz von vorn anfangen.
Wir haben das Foto auch unter unseren V-Leuten herumgezeigt. Bis jetzt ohne Ergebnis. Was nicht heißt, dass ihn niemand erkannt hat. Es heißt nur, dass ihn niemand erkennen will. Bei den Pfandleihern liegt der Fall nicht anders. Falls er den geraubten Schmuck versetzt hat, werden wir das nicht erfahren.
Außerdem durchforsten ein paar Kollegen die Verbrecherkarteien, aber selbst wenn er irgendwann nach einem bewaffneten Raubüberfall oder einem anderen Verbrechen verhaftet wurde, lässt sich das Aussehen verändern, und unser Foto lässt viel zu wünschen übrig, weil wir es von einem Videoband gezogen haben.«
»Einem miserablen Videoband«, ergänzte Kimball. »Mit miserabler Beleuchtung. Und miserablem Aufnahmewinkel. Eigentlich taucht er nur als Klecks auf, trotzdem ist es zumindest ein Anfang.«
Sanford schloss mit der Aufforderung: »Wir dachten, Sie sollten sich das Bild einmal ansehen.«
Er zog ein zwanzig auf fünfundzwanzig Zentimeter großes Foto aus einem braunen
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