Sündige Gier
Es war ein teuer gekleidetes und edel beschuhtes Publikum, das sich mit Leib und Seele dem Erwerb von Geld, Macht und perfekter Bräune verschrieben hatte. Als Creighton den Laden betrat, tat er es in dem Wissen, dass er all das besaß, wonach diese Menschen strebten.
Während er sich zur Bar vorarbeitete, zog er die Blicke mehrerer junger Frauen auf sich, die ihm allesamt ihre Verfügbarkeit signalisierten. Er musterte sie jeweils kurz und registrierte dabei ihre Vorzüge. Aber er ging an allen vorbei. Heute Abend war er auf der Suche nach einer ganz besonderen Frau. Und er würde sie erkennen, sobald er sie sah.
An der Bar bestellte er ein Club Soda mit Limette. Die Musik pulsierte. Die Gespräche wurden von kreischendem Gelächter akzentuiert. An jedem anderen Abend wäre ihm die gezwungene Fröhlichkeit auf den Magen geschlagen, aber heute konnte er sie ertragen und möglicherweise sogar genießen. Auch und gerade nach Derek Mitchells Abfuhr.
Was dachte sich dieses aufgeblasene, windelweiche Arschloch eigentlich dabei, ihn als Mandanten abzulehnen? Er hatte zu viele andere Mandanten? Er war zu beschäftigt? Also bitte. Der Mann war doch nichts als ein hoffnungslos überschätzter Winkeladvokat.
Von der Kanzlei war Creighton direkt in den Country Club gefahren und hatte sich dort ein erbittertes Tennismatch mit seinem Coach geliefert, bevor er nach Hause zurückgekehrt war und sich bei einem Thai-Restaurant etwas zu essen bestellt hatte. Er aß vom Tablett, während er die DVD anschaute, die seine Mutter ersetzt hatte, nachdem sie die erste Kopie ruiniert hatte. Sie hatte mit ihrer Einschätzung den Nagel auf den Kopf getroffen - der Film war unterirdisch. Ein geistloses Drehbuch für ein ebenso geistloses Starlet mit einem Schmetterlingstattoo auf dem Arsch. Wobei der Schmetterling eindeutig mehr Talent besaß.
Nach der Hälfte hatte er ihn gegen einen alten Thriller von Brian De Palma ausgewechselt, in dem ein Mädchen in Todesgefahr unter den Bohrer kommt - und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Einen Drillbohrer. Sehr blutig und ein bisschen zu augenfällig in seiner Deflorationssymbolik, aber die Szene entfaltete eine respektable Wirkung, die den Film in der ganzen Welt zum Kult hatte werden lassen. Zwei erhobene Daumen für die ausgeprägte Garstigkeit.
Danach hatte er geduscht und sich zum Ausgehen angezogen. Jetzt stand er hier in seinem neuen Brioni-Anzug, gutaussehend, mit einstudierter Nonchalance, und wartete darauf, dass die heutige Hauptdarstellerin die Bildfläche betrat.
Er brauchte nicht lang zu warten. Er hatte sein Soda nicht mal zur Hälfte ausgetrunken, als er sie am anderen Ende der Bar stehen sah, wo sie einen der vielbeschäftigten Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen versuchte.
Sie war zierlich und hatte glattes blondes Haar, ein bisschen wie die Hure, die er gestern Abend hatte kommen lassen. Und die daraufhin ihn hatte kommen lassen. Ihr Haar schimmerte in dem gedämpften Licht, als sie ärgerlich den Kopf schüttelte, weil der Barkeeper sie ein weiteres Mal übersehen hatte und stattdessen die Bestellung eines anderen Gastes aufnahm.
Creighton versuchte, sie per Gedankenkraft zu zwingen, in seine Richtung zu sehen. Ihm gefiel die Vorstellung, dass sie ihn bemerkte, bevor er sich ihr näherte. Fast als würde sie auf seine stumme Aufforderung reagieren, ließ sie den Blick an der Theke entlangwandern, bis sie Creighton entdeckte, der lässig und elegant an der Bar lehnte und sie anstarrte, als hätte ihn eine Vision in Bann geschlagen.
Sie hatte ja keine Ahnung, dass es genau andersherum war.
Er hob das Glas und zog fragend eine Braue hoch. Sie zögerte kurz und nickte dann. Bedächtig, langsam und ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, ging er zu ihr hin. Als er bei ihr angekommen war, sagte er im ersten Moment gar nichts, sondern ließ nur seine Augen sprechen. Er sah ihr ins Gesicht, als wollte er sie mit Blicken verschlingen. Frauen liebten das.
Dann beugte er sich vor, damit sie ihn verstand. »>Von allen Spelunken dieser Welt muss sie ausgerechnet in meine kommen!<«
Sie blinzelte mehrmals und sah ihn erwartungsvoll und verwirrt an. »Verzeihung?« Kein Bogart-Fan. Schade. »Was möchtest du trinken?«
»Einen Apple Martini?«
Sie setzte ein Fragezeichen ans Ende, als hätte sie Angst, er könnte sich wünschen, dass sie etwas anderes bestellen würde. Daraus zog er augenblicklich zwei Schlüsse. Erstens, das hier war nicht ihre Liga. Und zweitens, sie wusste es.
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