Sündige Gier
Derek Mitchell.
An seinem Arm hing eine wunderschöne Rothaarige in einem mit grünen Perlen besetzten Kleid. Die beiden gaben ein atemberaubendes Paar ab. Sie standen plaudernd in einer kleinen Gruppe und hielten Champagnerflöten in der Hand, als Derek bemerkte, wie Julie zu ihnen herübersah.
Sein Lächeln vertiefte sich. Sekundenlang sahen sie sich an. Fragte er sich genau wie sie, warum sich plötzlich ständig ihre Wege kreuzten, während sie sich zuvor nie begegnet waren? Oder waren sie sich vielleicht schon öfter begegnet und hatten nur nie Notiz voneinander genommen? Allerdings hielt Julie das für höchst unwahrscheinlich. Wenn sie Derek Mitchell vor jenem Morgen am Gate im Flughafen Charles de Gaulle begegnet wäre, hätte sie sich das mit Sicherheit gemerkt.
Die Rothaarige sagte etwas zu ihm, und er wandte sich ihr wieder zu.
Das Wissen, dass er im selben Raum war, würde den Abend, der ohnehin lang zu werden versprach, noch länger machen. Dummerweise hatte sich Julie bereiterklärt, bis zum bitteren Ende und darüber hinaus zu bleiben.
Immerhin musste sie kein Galadiner über sich ergehen lassen, es sollte nur einen kurzen Programmteil geben, der etwa zur Halbzeit der Veranstaltung starten sollte und bei dem das Modell für das neue Kinderkrankenhaus vorgestellt würde, gefolgt von einem herzzerreißenden Film, in dem die Notwendigkeit einer Klinik beschworen wurde und die Anwesenden aufgefordert wurden, großzügig zu spenden. Das Gemälde, das Julie für die Auktion gespendet hatte, war einer unter vierzig Posten, zu denen außerdem Luxusreisen, ein Auto und ein Diamantkollier im Wert von zehntausend Dollar gehörten.
»Hallo, Julie.«
Sie drehte sich um und sah sich Doug und Sharon Wheeler gegenüber. Doug schloss sie kurz in die Arme. Sie und Sharon tauschten ein paar Luftschmatzer aus. Sharon war in roten Chiffon gehüllt und trug gelbe Diamanten an Hals und Ohren. »Du siehst hinreißend aus«, versicherte ihr Julie aufrichtig.
»Danke. Aber mir tun jetzt schon die Füße weh.« Sharon streckte den Fuß unter dem bodenlangen Kleid hervor, um Julie die juwelenbesetzten Schuhe zu zeigen.
»Diese Schuhe sind die Schmerzen wert.«
Sharon lächelte geschmeichelt. »Das habe ich mir auch gedacht, aber frag mich später noch mal, wenn ich ein paar Stunden darin gestanden bin.«
»Ich hätte nicht erwartet, dich heute Abend zu sehen«, sagte Doug.
Paul hatte die Einladung für sie beide nur wenige Tage vor seinem Tod angenommen, aber das erzählte Julie ihnen nicht. »Ich habe ein Gemälde für die Auktion gespendet.« Sie nickte zur Mitte des Saales hin, wo in einer Oase aus falschen Sanddünen und echten Palmen die zu versteigernden Objekte ausgestellt waren.
»Ich hoffe, du bist nicht allzu böse«, sagte Sharon.
»Weswegen?«
»Wegen der Beisetzung.« Ihr hübsches Gesicht legte sich in bekümmerte Falten. »Ich hoffe, du hast das nicht als Beleidigung aufgefasst. Aber wir konnten dich einfach nicht bei der Familie sitzen lassen, Julie. Marys Schwestern waren auch da. Pauls Nichten und Neffen. Das wäre für alle Beteiligten peinlich gewesen.« Sie nahm kurz Julies Hand. »Aber ich würde es mir nie verzeihen, wenn wir dich damit verletzt hätten. Bitte sag, dass du das verstehst.«
»Ich verstehe dich nur zu gut, Sharon.«
Die schlichte Sharon strahlte erleichtert auf, aber Doug begriff sehr wohl, wie Julie es gemeint hatte. Er starrte auf den Teppichboden zwischen seinen Schuhen und schien darin versinken zu wollen, so peinlich war es ihm, dass man Julie bei der Beisetzung derart vor den Kopf gestoßen hatte und dass seine Frau nicht erkannte, was für ein Affront das gewesen war.
Ohne Paul als Gravitationszentrum ihrer Gruppe hatten sie den Halt verloren. Julie fragte sich, wie ihre Beziehung wohl in Zukunft aussehen würde und ob sie überhaupt noch eine Beziehung zu den Wheelers hätte.
»Habt ihr Creighton mitgebracht?« Sie stellte die Frage ganz beiläufig, dabei brachte sie seinen Namen nur mit Mühe über die Lippen.
»Er hat sich entschuldigt«, antwortete Sharon. »Er war schon mit ein paar Freunden verabredet.«
Soweit Julie wusste, hatte Creighton keine Freunde. Er hatte bezahlte Gesellschafter - einen Masseur, seinen Tennistrainer, einen Golfprofi, der gegen ihn spielte. Paul hatte ihr erzählt, dass er ab und zu eine Frau für eine Nacht abschleppte, aber dass er noch nie eine Freundin im traditionellen Sinne gehabt hatte. Er war Stammkunde bei einigen
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