Sündige Gier
noch mehr Gewissensbisse, weil sie mich gebeten haben, dir nicht zu verraten, dass ich mit ihnen gesprochen habe. Seither war ich ganz krank vor Kummer. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich mich dir gegenüber normal verhalten sollte. Ich bin so froh, dass das jetzt geklärt ist.«
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, stellte Julie klar: »Ich weiß das nicht von den Detectives.«
»Woher dann?«
»Ich habe versprochen, das nicht zu verraten.«
»Dann behalt es für dich. Aber nachdem du schon weißt, dass ich mit den beiden gesprochen habe, darfst du wohl auch wissen, dass sie den Besuch von diesem Typen in der Galerie für keinen Zufall halten.«
»Ich halte es auch nicht für einen Zufall.«
»Du glaubst, dass er Paul erschossen hat?«
»Ich weiß es nicht. Und heute Abend bin ich zu müde, um noch darüber nachzudenken. Ich gehe ins Bett. Wir sehen uns morgen früh.«
Bevor sie auflegen konnte, sprudelte es aus Kate heraus: »Die Sache mit dem Hotel, also dass du gestern Nacht nicht zu Hause geschlafen hast, habe ich ihnen nicht erzählt.«
»Ach ja. Das hat sowieso nichts mit der ganzen Sache zu tun.«
»Das habe ich auch angenommen. Darum habe ich das ausgelassen, als ich ihnen von deiner Putzwut erzählt habe.«
Julie wollte Kate schon fragen, woher sie das wusste, aber die jüngere Frau übergoss sie mit einem Schwall von Dankesbekundungen für diesen Anruf. »Jetzt kann ich endlich beruhigt ins Bett gehen.«
»Dann schlaf gut«, wünschte Julie ihr. »Morgen früh geht es uns bestimmt beiden besser.«
Kurz nach diesem Telefonat ging Julie ebenfalls ins Bett, doch sie war zu aufgedreht, um schlafen zu können. Sie fand keine Ruhe, immerzu fragte sie sich, was Kimball und Sanford mit diesen neuen Erkenntnissen wohl anfangen und wie sie die Verbindung zwischen ihr und Billy Duke ziehen würden. Sie rätselte, ob sie ihm inzwischen auf den Fersen waren.
Obwohl sie fest entschlossen war, nicht an Derek zu denken, kreisten ihre Gedanken unaufhörlich um ihn, was praktisch schon seit dem Moment so war, in dem sie sich im Flugzeug neben ihn gesetzt hatte. Ursprünglich hatte sie ihn sabotieren wollen, doch dann war etwas völlig Unerwartetes geschehen: Sie hatte angefangen, ihn zu mögen.
Vom ersten Moment an hatte sie ihn sympathisch gefunden, und das nicht nur wegen seines Aussehens. Nicht nur sein einnehmendes Lächeln und sein faszinierender Blick hatten ihr gefallen, sondern auch sein Witz, seine Selbstironie und seine selbstbewusste Gelassenheit. Er war längst nicht so eingebildet, wie sie angenommen hatte. Im Gegenteil, er machte sich gern über sich selbst lustig. Er hatte die Unterhaltung nicht an sich gerissen und sie mit Anekdoten über wichtige Fälle und Siege im Gerichtssaal gelangweilt, sondern aufmerksam zugehört und aufrichtiges Interesse an allem, was sie erzählte, gezeigt.
Sie hatte nicht vorhersehen können, dass sie unter dem hübschen Äußeren einen so angenehmen, netten Mann entdecken würde. Und sie hatte schon gar nicht einkalkuliert, dass sie ihn so erotisch finden könnte. Sie hatte sich kaum neben ihm niedergelassen, da hatte sie bereits beschlossen, wie sie weiter vorgehen würde.
Inzwischen konnte sie sich eingestehen, dass sie ihn nicht ausschließlich verführt hatte, um ihn zu kompromittieren. Sondern auch ihretwegen. Die ganze Trauer, die Angst, der Frust und der Zorn, die seit Pauls Tod in ihr gebrodelt hatten, waren in dem Moment übergekocht, in dem Derek zu ihr in die Toilette gekommen war. Das emotionale Gebräu hatte sich in einer überwältigen Explosion gelöst.
Schon der erste Kuss hatte ihm gezeigt, dass sie auf der Stelle genommen werden wollte, ohne alle Bedenken und Hemmungen, denn seine so kräftigen, warmen und bestimmenden Hände waren unverzüglich an ihre Hüften gewandert, hatten sie bei jedem Stoß vor und zurück geschoben und sie mit aller Kraft umklammert, bis er mit einem gepressten Schnaufen zum Höhepunkt gekommen war.
Sobald es vorüber war, hätte sie am liebsten alles vergessen. Mission erfüllt.
Aber es war töricht von ihr gewesen zu glauben, dass sie so objektiv bleiben oder sich auch nur eine Sekunde lang weismachen könnte, der Sex hätte keine Rolle gespielt. Heute Abend hatte sie ihn attackiert, als er ihr erklärt hatte, dass er ständig daran denken musste. Aber damit war er nicht allein. Auch ihre Gedanken kreisten ständig um ihr Stelldichein über den Wolken, immer wieder kehrten sie
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