Sündige Gier
wirklich abzusuchen, und schon nach wenigen Minuten kamen sie ins Haus zurück. Einer klopfte mit der Taschenlampe gegen den Schaltkasten der Alarmanlage, und der andere nickte.
»Glauben Sie, er hat an der Alarmanlage herumgefummelt?«, fragte Julie. »Werden Sie Fingerabdrücke vom Türknauf abnehmen? Haben Sie draußen Fußabdrücke entdeckt?«
Ohne auf ihre Fragen einzugehen, fragte der eine: »Wie heißen Sie?«
Sie sagte es ihm.
»Schreibt man das so, wie man es spricht?«
»Genau.«
»Waren Sie hier?«
»Wann?«
»Als er den Hund gefunden hat.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin ein paar Minuten vor Ihnen eingetroffen.«
Ohne eine weitere Frage marschierten sie wie ein Mann aus der Küche.
Derek hatte sich nicht geirrt. Sie handelten streng nach Vorschrift und unternahmen nichts, was darüber hinausgegangen wäre. Sie folgte ihnen zum Fuß der Treppe, wo sie wieder mit Derek zusammentrafen. Sie hielt sich etwas abseits, während die Polizisten sich gedämpft mit ihm unterhielten. Einer machte sich Notizen. Derek stellte den beiden mehrere Fragen, die knapp und wortkarg beantwortet wurden.
Dann klappte der Polizist, der sich Notizen gemacht hatte, seinen Block zu. Sie hörte den anderen sagen, dass man sich mit Derek in Verbindung setzen würde. Derek brachte die beiden zur Tür, wo einer von ihnen an seine Hutkrempe tippte. »Das mit Ihrem Hund tut uns leid, Mr Mitchell.«
Ohne ein weiteres Wort schloss Derek die Tür hinter ihnen. Er warf Julie einen kurzen Blick zu, während er zur Treppe zurückging, und verschwand dann wortlos im Obergeschoss.
Sie kehrte in die Küche zurück. Der Kaffee war fertig. Gerade als sie Kaffeebecher und Löffel gefunden hatte, hörte sie ein Rumpeln und ging wieder zur Treppe. Derek und der Tierarzt schleppten mit vereinten Kräften einen schwarzen Plastiksack die Stufen herunter. Aus Dereks Augen liefen Tränen.
Sie ging ihnen voran, öffnete die Haustür und trat beiseite. Die beiden trugen ihre Last weiter an den Straßenrand, wo der Tierarzt seinen Pick-up abgestellt hatte. Julie beobachtete von der Tür aus, wie sie den Sack behutsam auf dem Boden ablegten, die Heckklappe nach unten senkten und dann den Sack auf die Ladefläche hievten.
Der Tierarzt trat zurück und ließ Derek allein. Julie hatte das Gefühl, dass er eine Ewigkeit dort stehen blieb, aber jede einzelne Sekunde war mit so vielen Gefühlen belastet, dass die Zeitspanne vielleicht nicht so lang war, wie es ihr vorkam. Schließlich legte Derek die Hand auf den Plastiksack, murmelte etwas, hob dann die Heckklappe wieder an und verriegelte sie.
Bemerkenswert einfühlsam, wie Julie fand, ging der Tierarzt wortlos an ihm vorbei, kletterte schweigend in die Kabine und fuhr ab. Dereks Knie schienen nachzugeben. Er sank auf den Bordstein und blieb so sitzen. Julie sah seine Schultern beben. Sie blieb in der offenen Tür stehen, denn sie wusste, dass er einen Moment für sich allein brauchte.
Schließlich stand er wieder auf und kam ins Haus zurück. Sein weißes Hemd war nicht mehr weiß. Seine Jeans waren in dunklem Blut getränkt. Als er an die Tür kam, sagte er nur: »Ich gehe duschen«, und verschwand ein weiteres Mal nach oben.
Als er nach fünfzehn Minuten noch nicht wieder aufgetaucht war, füllte sie einen Becher mit Kaffee und trug ihn ins Obergeschoss. Sie fand das Schlafzimmer sofort, denn es war der einzige Raum, in dem Licht brannte. Die Tür zu dem angeschlossenen Bad war zu. Dahinter hörte sie Wasser laufen. Das Bett war abgezogen. In der Mitte der Matratze leuchtete ein dunkler, nasser Fleck, größer als ein Mensch und abstoßender als alles, was Julie bis dahin unter die Augen gekommen war.
In einer Ecke stand verschlossen ein zweiter Sack ähnlich jenem, in den sie Maggies Leichnam gelegt hatten. Dereks Bettzeug und Anziehsachen, dachte sie. Auf dem Boden an der Wand gegenüber dem Bett lehnte das Gemälde von der Auktion immer noch in der Kiste, in die sie es gepackt hatte. Das war erst am Abend zuvor gewesen, und doch kam es ihr vor wie in einem anderen Leben.
Das Wasser wurde abgedreht, und wenig später kam er mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad. Sie streckte ihm den Kaffee hin. »Ich fürchte, er ist schon wieder kalt.«
»Trotzdem vielen Dank.« Er nahm ihr den Becher aus der Hand und starrte dann in den Kaffee, ohne ihn zu trinken. »Ehrlich gesagt hätte ich lieber was Stärkeres.«
»Bei mir.« Sie sagte das mit allem Nachdruck, obwohl ihr der Gedanke
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