Sündige Gier
legte die DVD ein, die Creighton ihm dagelassen hatte, und lehnte sich zurück, um den Film zu genießen.
17
Julie musste dreimal läuten, bevor ihr geöffnet wurde. Er hatte noch dieselben Sachen an wie bei ihrem Treffen in Athens, eine Jeans und ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, aber jetzt wirkte er völlig aufgelöst. Das Hemd hing ihm aus der Hose, und die Haare sahen aus, als wären sie in einen Hurrikan geraten. Seine Augen waren blutunterlaufen und nass. Ein Mann mit gebrochenem Herzen.
Er reagierte überhaupt nicht auf ihren Besuch, weder überrascht noch erleichtert oder verärgert. Sein Gesicht war von tiefer Trauer gezeichnet.
Sie sagte seinen Namen, mehr nicht, leise und voller Mitgefühl.
Statt etwas darauf zu erwidern, ließ er die Tür offen und wich ins Haus zurück. Sie trat ein, schloss die Tür und folgte ihm um eine Ecke in einen kleinen Raum. An zwei Wänden waren Bücherregale eingelassen. Sie wirkten nicht protzig, sondern ordentlich und funktionell. Die Lamellenjalousien vor dem hohen Fenster waren geschlossen.
Der Raum war minimalistisch eingerichtet. Ein Schreibtisch mit Computer, Zeitungsstapeln, ungeöffneter Post. Ein Sessel. Und ein tabakbraunes Zweisitzersofa aus Leder, auf dem Derek lagerte, den Kopf auf die Armlehne gestützt, den Unterarm vor den Augen.
Nachdem Julie jetzt hier war, wusste sie plötzlich nicht mehr, was sie tun sollte. Er hatte sofort aufgelegt, nachdem er ihr erklärt hatte, dass jemand seine geliebte Maggie umgebracht hatte. Wie von selbst war sie aufgestanden, hatte sich angezogen und war wenige Minuten nach dem Anruf zu ihm nach Hause gerast.
Seine Adresse hatte sie nachgeschlagen, als sie noch darüber gegrübelt hatte, wie sie ihn daran hindern sollte, Creighton zu vertreten. Die Habersham gehörte zu den angesehensten Adressen in der Stadt, und wie die meisten Domizile an der gewundenen, quer durch Buckhead führenden Straße stand Dereks Haus auf einem weitläufigen, von Bäumen beschatteten Grundstück. Es war ein älteres Haus, das renoviert worden war, ohne dass dabei der ursprüngliche Charakter zerstört worden wäre. Zu jeder anderen Zeit hätte sie es für ihr Leben gern besichtigt.
Aber heute Abend war sie eher an dem Besitzer als an seinem Haus interessiert. Sie hatte es so eilig gehabt herzukommen, dass sie keine Sekunde hinterfragt hatte, was sie eigentlich antrieb. Jetzt wusste sie plötzlich nicht mehr, ob es ratsam war, ihn in seiner Trauer zu stören.
Zögerlich sank sie auf die Armlehne des Sessels. »Kann ich dir irgendetwas bringen?«
Er schüttelte den Kopf.
Im Haus war es still wie in einem Grab. Nicht einmal das Ticken einer Uhr oder das Knarren eines Balkens störte die tiefe Stille, die gegen ihr Trommelfell drückte, als wäre sie unter Wasser. Sie überlegte, ob sie einfach wieder gehen sollte, ohne ihn weiter zu stören. Wenn sie sich jetzt aus dem Haus schlich, würde er es wahrscheinlich gar nicht bemerken und sich später auch nicht erinnern, dass sie da gewesen war. Aber etwas ließ sie auf ihrer unbequemen Sitzkante ausharren.
Schließlich senkte er den Arm und sah sie an, sah sie nur an, ohne etwas zu sagen.
»Soll ich gehen?«
»Warum bist du gekommen?«
»Weil…« Sie stockte. Eigentlich hatte sie sagen wollen, weil ich weiß, wie viel Maggie dir bedeutet oder weil ich weiß, wie niederschmetternd so ein Verlust ist. Aber plötzlich wurde ihr klar, warum sie hier war, und bei dieser Erkenntnis wurde ihr übel. Sie war hergerast, um ihn um Verzeihung zu bitten.
»Wenn ich nicht wäre«, erklärte sie belegt, »wäre Maggie noch am Leben. Es tut mir leid. Es tut mir so leid.«
Sie sprang auf und lief zur Tür, aber Derek rief sie zurück. »Du hast Maggie nicht umgebracht.« Er setzte sich auf. »Er war das. Dieses kranke Schwein. Er hat sie umgebracht.«
Er setzte sich auf, stemmte die Ellbogen auf die Knie, ließ den Kopf in die Hände sinken und pflügte sich mit den Fingern durchs Haar. Seine bodenlose Verzweiflung rührte Julie zutiefst. Sie ging zum Sofa, setzte sich neben ihn und legte die Hand zwischen seine Schulterblätter. »Wie lang hast du sie gehabt?«
Er sah auf einen Fleck neben seinem Schreibtischstuhl, wo Maggie wahrscheinlich immer auf dem Teppich geschlummert hatte, während er arbeitete. »Zehn Jahre.«
»Sie wurde in fast allen Artikeln erwähnt, die ich über dich gelesen habe. Überall stand, sie sei deine treueste Begleiterin. Sie war fast so berühmt wie
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