Sündige Liebe
Schritt zu halten, als sie auf die große, gewundene Treppe am Ende des Raumes zuging. Sie hatte keine Zeit, stehenzubleiben und die wunderbaren Bilder anzuschauen, die an den weißen Wänden hingen, und sie konnte auch nur einen flüchtigen Blick durch die offenen Türen werfen, an denen sie vorbeikamen.
Die Treppe führte auf einen langen Gang, der über die gesamte Breite des Hauses reichte, und an jedem Ende war ein weit geöffnetes Fenster, das das Tageslicht und einen manchmal aufkommenden Lufthauch einließ. Von dem Gang gingen acht Türen ab, vier auf jeder Seite. Hannah wandte sich über der Treppe nach links und blieb abwartend vor der letzten Tür an der Rückfront des Hauses stehen.
Angela eilte weiter, ohne vor den Porträts der Ahnen zu verweilen, die den Gang säumten. Sie blieb erst abrupt stehen, als ein Paar goldbrauner Augen sie von der Wand aus anblickte. Das Bild wies eine bemerkenswerte Ähnlichkeit auf, denn dem Künstler war es gelungen, das stolze, hochgereckte Kinn, die hohen Wangenknochen und die gerade, schmale Nase, die festen, lächelnden Lippen, die hohe Sti rn und die dichten, leicht gebogenen Augenbrauen, die so schwarz wie sein Haar waren, einzufangen. Es war ein ausgezeichnetes Porträt von Bradford Maitland.
»Das ist wirklich ein schönes Bild von Master Jacob. Ich fand schon immer, es sollte im Arbeitszimmer hängen«, sagte Hannah, die jetzt neben Angela vor dem Bild stand.
»Aber ich dachte, es sei Bradford.«
»Nein, Kind, das ist Master Jacob, als er noch jünger war. Das Bild von Master Bradford hängt unten in der Eingangshalle. Wenn man sie zusammen sieht, könnte man meinen, jemand hätte zwei Bilder von ein und demselben Mann gemalt - bis auf die Augen. Bradford hat ein bisschen mehr Feuer in den Augen, weil er nicht wollte, dass das Bild gemalt wird, und das sieht man gleich. Er wollte, dass das Bild weit weg von seinem Zimmer hängt, und sein Zimmer liegt an diesem Ende des Hauses.«
»An diesem Ende?«
»J a«, sagte Hannah und kicherte fröhlich. »Ich dachte, Sie hätten gern das Zimmer ihm gegenüber - das heißt, falls sich der Junge jemals entschließen kann, wieder nach Hause zu kommen.«
Die Tatsache, dass sie nicht bei den anderen Dienstboten, sondern im Haus wohnen würde, verblüffte Angela. Sie konnte es nicht verstehen. Vielleicht war Jacob Maitland auch nur allzu vorbedacht, denn sie würde die einzige weiße Dienerin sein.
Das Zimmer, das jetzt das ihre sein sollte, schockierte Angela. Dieser eine Raum war größer als das Haus, in dem sie ihr ganzes Leben verbracht hatte. Die Wände waren in zarten Lavendeltönen und dunklen Purpur- und Blauschattierungen gehalten, und das ganze Zimmer duftete nach Lavendel. Etwas so Schönes und Edles hatte sie noch nie gesehen. Und dieses Zimmer sollte ihr gehören!
Der Fußboden war zu solchem Hochglanz poliert worden, dass sich in ihm wahrhaftig die schöne, kostbare Einrichtung spiegelte. Das massive Bett hatte vier hohe Pfosten mit einem Rüschenbaldachin darüber und war mit blauem und lavendelfarbenem Taft überspannt. Die Vorhänge waren aus dunkelblauem Samt und im Moment geschlossen, damit die nachmittägliche Hitze nicht eindringen konnte. In einer Ecke stand ein bequemer Sessel, und im übrigen war das Zimmer mit einem großen Sofa, einer Kommode und Tischen eingerichtet. Wie sollte sie sich jemals daran gewöhnen, in einer solchen Umgebung zu leben?
»Bist du sicher, dass dieses Zimmer für mich bestimmt ist?« fragte sie flüsternd, und wieder trat Ungläubigkeit in ihre schönen Augen.
Hannah lachte. »Master Jacob hat gesagt, dass ich eins der leeren Zimmer aussuchen kann, und ich habe dieses ausgesucht. Die Zimmer sind ohnehin alle gleich. Ich weiß, dass das nicht das ist, was Sie gewohnt sind, Missy, aber jetzt sind Sie hier, und Sie werden sich einfach daran gewöhnen müssen. Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen, und das macht mich froh. jetzt tun Sie, was der Master gesagt hat, und ruhen sich aus.« Mit diesen Worten ging Hannah aus dem Zimmer.
Ruhen? Am hellen Nachmittag? Wie hätte sie ruhen können?
Eine kleine Brise ließ die schweren Gardinen flattern, und Angela trat ans Fenster und zog sie zur Seite. Den Fluss konnte man mühelos zu Fuß erreichen, und sie stellte sich vor, wie es sein mochte, einfach dort zu sitzen und den stattlichen Dampfschiffen nachzusehen. Hinter dem Haus lag ein bezaubernder Garten, und der Duft von Jasmin und Magnolien stieg zu ihr
Weitere Kostenlose Bücher