Sündige Liebe
drückte sich Angela in den Eingang eines Ladens und wartete, bis die anderen Mädchen ihre Einkäufe getätigt hatten. Sie hätte heute wirklich nicht mitgehen sollen, denn sie hatte viel für die Schule zu tun. Doch sie brauchte noch ein wenig blaues Strickgarn, um einen Pullover fertigstellen zu können, den sie für Naomi strickte.
Angela zog sich die Kapuze ihres Umhangs tiefer ins Gesicht und spürte den Pelzbesatz kalt auf ihrer Haut. Sie wünschte, die anderen Mädchen würden sich beeilen.
Plötzlich er r egte ein Zwischenfall ihre Aufmerksamkeit. Schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite, waren zwei kleine Jungen in Streit geraten. Angela sah erschrocken zu, wie ein Junge den anderen anstieß und sie anfingen, sich zu prügeln. Doch in diesem Augenblick kam ein großer Mann hinzu und sagte etwas zu den Jungen. Sie hörten augenblicklich auf, sich zu verprügeln und rannten in verschiedene Richtungen davon.
Der Mann kam ihr irgendwie vertraut vor, und sie sah ihn sich genau an.
Angela schnappte nach Luft und erregte damit die Aufmerksamkeit von Jane und Sybil, die gerade aus dem Laden traten.
»Kennst du diesen Mann, Angela?« fragte Jane.
Angela drehte sich zu den beiden um, und aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen. Es waren fast fünfeinhalb Jahre her, seit sie Bradford Maitlahd zum letzten Mal gesehen hatte. Aus irgendeinem geheimnisvollen Grund, über den in der Familie nicht gesprochen wurde, war er seit dem Sommer 62 nicht mehr nach Golden Oaks zurückgekehrt. Was tat er in Springfield?
Sybil kicherte und flüsterte Jane etwas zu, woraufhin Jane die Augen auf riss . Angela achtete jedoch nicht auf die beiden, sondern starrte auf das braune Gebäude an der anderen Straßenseite. Sie war ganz in der Vergangenheit verloren. In all diesen Jahren war kaum ein Tag vergangen, an dem Angela nicht an Bradford gedacht hatte, und nun hatte sie ihn endlich wiedergesehen.
Jane packte Angela am Ärmel. »Warum gehst du nicht rüber und besuchst ihn? Das ist es doch, was du willst.«
»Ich ... das könnte ich nie«, stammelte Angela.
»Natürlich kannst du das«, sagte Jane mit einem Schimmern in den Augen. »Wir sagen, dass du eine Freundin getroffen hast, die angeboten hat, dich zur Schule zurückzubringen.«
»Aber das ist gelogen.«
»Wir behalten dein Geheimnis für uns, Angela«, bot Sybil ermutigend an. »Du kannst schließlich immer noch eine Kutsche mieten, um zur Schule zurückzufahren, wenn dein Freund dich nicht hinbringt. Es ist noch früh am Nachmittag. Bis zum Abendessen wird dich niemand vermissen. Jetzt geh schon rüber.«
Angela drückte Jane ihr kleines Päckchen in die Hand und ging langsam über die Straße.
Als sie vor den Stufen stand, die in das braune Gebäude führten, gingen ihr plötzlich Vorbehalte durch den Kopf. Es war dreist und unbedacht, einem Mann nachzulaufen. Was würde Bradford sich denken?
Angela drehte sich schleunigst um und wollte zum Laden zurücklaufen. Aber die Mädchen waren schon fort. Warum sollte sie es nicht probieren? Es wäre albern gewesen, nicht mit Bradford zu sprechen.
Angela stieg die Stufen hinauf und klopfte vernehmlich an die Tür. Nach einem Moment wurde die Tür von einem großen Mann mit aufgekrempelten Hemdsä rm eln und einer Weste geöffnet. Zwischen seinen Zähnen steckte eine Zigarre, und er wartete darauf, dass sie etwas sagen würde. Als sie nichts sagte, packte er sie am Arm, zog sie ins Haus und schloss die Tür hinter ihr.
»Damit die Kälte draußen bleibt, Schätzchen«, sagte der Mann barsch, doch seine Stimme war freundlich.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich Angelas Augen an die schummrige Beleuchtung im Eingang gewöhnt hatten, aber sie konnte den Raum neben der Eingangshalle deutlich sehen. Er war hell erleuchtet und mit Männern und kostspielig gekleideten Frauen angefüllt, die an großen Tischen saßen. Ein Spielcasino! Rauchwolken trieben durch die hohen Flügeltüren, und Lachen, Stöhnen, Rufe und Flüche vermischten sich miteinander. Angela sah, dass die Eingangshalle und der Raum dahinter dunkelrote Wände hatten, an denen unzüchtige Bilder hingen.
Der Mann, der hinter Angela stand, erschreckte sie, indem er ihr den Umhang abnahm. »Da Sie nicht in Begleitung sind, müssen Sie das neue Mädchen sein, das Henry rüberschicken wollte. He, Peter!« rief er. »Geh zu Maudie, und sag ihr, dass das neue Mädchen da ist. Ihre Jacke sollten Sie mir auch geben, Schätzchen. Bei uns ist es angenehm warm,
Weitere Kostenlose Bücher