Sündige Rache
war alles, was sie denken konnte. Bitte, lass ihn weiter gegen die Wände schlagen und lass ihn noch eine Flasche finden. Bitte, bitte, lass ihn noch etwas zu trinken finden oder jemand anderen, den er bestrafen kann.
Bitte.
Doch schon flog die Tür des Zimmers auf und ein großer dunkler Schatten schob sich vor das helle, harte Licht des angrenzenden Raums.
»Was starrst du mich so an? Hast du etwa meine Privatgespräche belauscht? Hast du etwa deine Nase in meine Angelegenheiten gesteckt?«
Nein. Nein. Sie brachte keinen Ton heraus, schüttelte nur vehement den Kopf.
»Ich sollte dich einfach den Ratten und den Bullen überlassen. Erst kommen die Ratten und beißen dir die Finger und die Zehen ab, und dann kommen die Bullen. Weißt du, was sie mit kleinen Mädchen machen, die sich in die Angelegenheiten anderer Leute mischen?«
Er kam zum Bett geschlurft und riss sie so schmerzhaft an den Haaren in die Höhe, dass ihr, obwohl sie es nicht wollte, ein spitzer Schrei entfuhr.
»Sie stecken sie in dunkle Erdlöcher und lassen sie dort liegen, bis ihnen die Käfer in die Ohren kriechen. Willst du in einem solchen dunklen Loch verschwinden, meine Kleine?«
Jetzt fing sie an zu weinen. Gegen ihren Willen brachen sich die Tränen einfach Bahn. Er schlug sie. Einmal, zweimal, aber er war nicht bei der Sache, und sie begann zu hoffen.
»Schwing deinen faulen Hintern aus der Koje und pack deinen Müll zusammen. Ich muss ein paar Leute treffen, meine Kleine, und deshalb fahren wir nach Süden.«
Er verzog den Mund zu einem breiten, widerlichen Grinsen und sah sie mit wilden Augen an. »Dieser Blödmann denkt anscheinend allen Ernstes, dass er mir Angst machen kann. Tja, aber da hat er sich eindeutig geschnitten. Ich habe die erste Hälfte seines Geldes und seine gottverdammten Drogen. Wir werden also sehen, wer als Letzter von uns beiden lacht. Meinetwegen soll Max Ricker doch zur Hölle fahren. Er ist sowieso ein widerlicher Arsch.«
Während sie durchs Zimmer stolperte und die wenigen Kleider, die sie hatte, in eine Plastiktüte stopfte, war alles, was sie denken konnte, dass ihr heute Abend nichts passieren würde. Dass sie von einem Mann namens Max Ricker gerettet worden war.
Mit wild jagendem Herzen und ausgedörrter Kehle
fuhr Eve in ihrem Schreibtischsessel hoch.
Ricker. Großer Gott. Ricker und ihr Vater.
Sie umklammerte die Lehnen ihres Stuhls. Hatte sie diese Szene tatsächlich erlebt oder war sie nur ein Produkt ihrer Erschöpfung und ihrer Fantasie?
Nein, sie hatte sie tatsächlich erlebt. All das Grauen, an das sie sich manchmal bruchstückhaft erinnerte, hatte sie tatsächlich erlebt. Mit wild zerzaustem Haar, schreckgeweiteten Augen, dürren Ärmchen hatte sie damals in ihrem Bett gekauert wie ein verfolgtes Tier in seinem Versteck.
Und hatte die Stimmen aus dem Nebenraum gehört.
Sie presste die Finger an die Schläfen und beugte sich auf ihrem Stuhl nach vorn. Max Ricker und ihr Vater hatten sich gekannt. In New York. Ja, sie war sich sicher, dass sie in jener Nacht hier in New York gewesen war. Wie lange hatte es danach gedauert, bis sie in Dallas gelandet war? Wie lange hatte es gedauert, bis sie das Messer in die Hand genommen hatte, als sie abermals von ihrem Vater vergewaltigt worden war?
Wie lange hatte es gedauert, bis sie ihn getötet hatte?
Auf jeden Fall lange genug, dass ihnen das Geld ausgegangen war. Und ebenfalls lange genug, dass Ricker seine Bluthunde auf die Fährte des Mannes angesetzt hatte, von dem er bestohlen worden war.
Doch sie hatte die Hatz beendet. Sie war ihm zuvorgekommen und hatte ihren Vater eigenhändig umgebracht.
Sie stand auf und stapfte durch den Raum. Das, was damals vorgefallen war, hatte mit den Geschehnissen von heute nicht das Mindeste zu tun. Es durfte weder ihre Ermittlungen behindern noch irgendeinen Einfluss auf sie persönlich haben, überlegte sie.
Aber welcher Macht des Schicksals war es zuzuschreiben, dass es offenbar bereits seit ihrer Kindheit eine blutige Beziehung zwischen ihnen gab?
Erst Ricker und ihr Vater.
Dann Ricker und ihr Mann.
Und jetzt, ohne Zweifel, Ricker und sie selbst.
Sie hatte keine Wahl. Sie musste dafür sorgen, dass dieses grauenhafte Band wie schon einmal vor langer Zeit in Dallas abermals zerriss.
19
S ie brauchte frischen Kaffee. Sie brauchte ein paar Stunden tiefen – traumlosen – Schlaf. Und sie brauchte die Ergebnisse der Computerüberprüfung, die von ihr in Auftrag gegeben worden war.
Gleichzeitig
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