Sündige Rache
bedeutete, dass es in jeder Stunde die Arbeit von zwei Stunden zu erledigen gab. Eve überließ deshalb das Purgatorium Roarkes kompetenter Führung und fuhr hinaus in den New Yorker Vorort, in dem Clooney bis vor ein paar Monaten wohnhaft gewesen war.
»Whitney hat die Ehefrau schon von Baxter befragen lassen«, erklärte Peabody und handelte sich dadurch einen stählernen Blick von ihrer Vorgesetzten ein.
»Trotzdem fahre ich noch mal persönlich hin. Haben Sie damit ein Problem, Officer?«
»Nein, Madam. Nicht das geringste.«
Während die Zeit für Eve regelrecht verflog, hatte Peabody den Eindruck, als kröchen die nächsten dreißig Stunden im Schneckentempo dahin. Sie hielt es für klüger, nicht extra zu erwähnen, dass der Polizei-wagen, dessen Insassen das einstöckige Haus auf dem briefmarkengroßen Grundstück überwachen sollten, nicht zu übersehen war.
Auch Clooney würde ihn sofort entdecken, falls er versuchen sollte, sich dem Haus zu nähern. Möglicherweise wurde das allerdings gerade bezweckt.
Schweigend folgte sie Eve über den schmalen Weg zur Haustür und blieb ein Stück hinter ihr stehen.
Die Frau, die ihnen öffnete, war mit ihrer rundlichen Statur und dem fülligen Gesicht normalerweise sicher durchaus attraktiv. Derzeit jedoch wirkte sie erschöpft, unglücklich und völlig verschreckt. Eve nannte ihren Namen und hielt ihr ihren Ausweis hin.
»Sie haben ihn gefunden. Er ist tot.«
»Nein. Nein, Mrs Clooney, wir haben Ihren Mann bisher noch nicht ausfindig gemacht. Dürfen wir reinkommen?«
»Es gibt nichts, was ich Ihnen sagen könnte, was nicht schon Ihre Kollegen von mir wissen.« Trotzdem drehte sie sich mit hängenden Schultern, die aussahen, als trügen sie eine allzu schwere Last, auf dem Absatz um, ging ihnen voraus in das aufgeräumte kleine Wohnzimmer und wandte sich erst dort den beiden Polizistinnen mit müden Augen wieder zu.
Chintz und Spitze. Ein verblichener Teppich, alte, bequeme Sessel, ein Fernseher, der schon bessere Tage gesehen hatte, und, bemerkte Eve, eine Statue der Heiligen Jungfrau – der Mutter Gottes – auf einem kleinen Tischchen, von wo aus ihr ernstes, mitfühlendes Gesicht den Raum zu überblicken schien.
»Mrs Clooney, ich muss Sie fragen, ob Ihr Mann Kontakt zu Ihnen aufgenommen hat.«
»Nein. Und das wird er bestimmt nicht tun. Es ist so, wie ich bereits dem anderen Detective gesagt habe. Ich bin der festen Überzeugung, dass das alles ein fürchterlicher Irrtum ist.« Geistesabwesend schob sie sich eine Strähne ihrer braunen Haare, die ebenso verblichen wirkten wie der Teppich, aus der Stirn. »Art geht es schon seit längerem sehr schlecht. Aber die Dinge, die Sie ihm vorwerfen, hat er sicher nicht getan.«
»Weshalb wird er sich nicht mit Ihnen in Verbindung setzen, Mrs Clooney? Schließlich sind Sie seine Frau. Und das hier ist sein Heim.«
»Ja.« Sie ließ sich in einen Sessel sinken, als versagten ihre Beine plötzlich ihren Dienst. »Das ist es. Aber er hat aufgehört, das hier als sein Heim zu betrachten, hat aufgehört zu glauben, dass er noch ein Zuhause hat. Er hat die Richtung verloren, die Hoffnung und den Glauben. Nichts ist mehr für ihn, wie es vor Thads Tod gewesen ist.«
»Mrs Clooney.« Eve setzte sich ebenfalls und beugte sich vertraulich vor. »Ich will ihm helfen. Ich will, dass ihm die Hilfe zuteil wird, die er dringend braucht. Wo könnte er hingegangen sein?«
»Ich weiß es einfach nicht. Früher hätte ich es gewusst.« Sie zog ein zerknülltes Taschentuch aus der Tasche ihres Rocks. »Aber er hat bereits vor langer Zeit aufgehört, mit mir zu reden, er lässt mich nicht mehr an sich heran. Zu Anfang, nachdem Thad getötet worden war, haben wir uns aneinander festgehalten und gemeinsam um unser Kind getrauert. Unser Thad war ein wunderbarer junger Mann.«
Sie blinzelte zu einem Foto in einem blank polierten Silberrahmen, auf dem ein junger Mann in Uniform zu sehen war. »Wir waren unbändig stolz auf ihn. Als wir ihn verloren haben, haben wir uns nicht nur aneinander festgehalten, sondern auch an unserer Liebe und an unserem Stolz. Wir haben diese Liebe und diesen Stolz auf ihn mit seiner Frau und seinem süßen Baby geteilt. Es hat uns geholfen, dass unser Enkelkind in dieser Zeit in unserer Nähe war.«
Sie stand auf und nahm ein anderes Foto in die Hand, auf dem man Thad mit einer lächelnden jungen Frau und einem pausbäckigen Säugling sah. »Sie waren eine wunderbare Familie.«
Sie strich liebevoll
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