Sündige Seide: Roman (German Edition)
vor und warf den Kopf zurück wie ein junges Fohlen. »Hier bin ich, Süßer. Sieh dich satt.«
Er lachte. »Da sind Sie anders als Claire. Sie würde mir am liebsten Scheuklappen aufsetzen.«
»Meinetwegen können Sie mich anglotzen, bis Ihnen die Augen rausfallen, solange Sie nicht rumschleichen und Claire nervös machen. Sie gehen ihr auf die Nerven.«
»Hat sie Ihnen das gesagt?«
»Das braucht sie mir nicht zu sagen. Ich kenne sie. Außer ihrer Mutter liebt sie nichts so sehr wie French Silk. Sie ist eine Perfektionistin. Die Fotositzungen sind auch so schon anstrengend und aufreibend genug, ohne daß sie Ihretwegen durchdreht.«
»Ich habe nicht den Eindruck, daß Claire schnell durchdreht.«
»Sie kennen sie nicht so gut wie ich. Sie bleibt äußerlich immer cool, aber innerlich brodelt sie.«
»Worüber haben Sie sich während Ihrer Gipfelkonferenz heute nachmittag unterhalten? Haben sie sich wegen Ihrer Bemerkung über Jackson Wilde gestritten?«
»Das möchten Sie wohl gerne wissen.«
»Allerdings.«
»Ficken Sie sich ins Knie, Cassidy.«
»Klingt, als meinen Sie das ernst.«
»Verlassen Sie sich drauf, Süßer. Im Augenblick kann mich die gesamte männliche Bevölkerung am Arsch lecken.«
»Ach? Was haben wir denn angestellt?«
»Es reicht, daß Sie atmen.«
»Abendessen!« Grace Monteith läutete mit einem kleinen Glöckchen und schob die Türen zum Speisesaal auf.
Cassidy hatte es so arrangiert, daß er Claire am Tisch gegenübersaß. Zwar waren die jungen Models bezaubernd und eine wahre Augenweide, aber verglichen mit Claire Laurent wirkten sie substanzlos.
Während er sein Schmorfleisch mit Gemüse aß, musterte er die Tischgesellschaft und fragte sich, wer wohl seinen Stift gestohlen hatte. Er war überzeugt, daß er gestohlen worden war, wahrscheinlich aus purer Bösartigkeit.
Von den drei Stilistinnen sah keine durchtrieben genug aus, und die Models waren heute nachmittag alle zu beschäftigt gewesen.
Er hatte reichlich Gelegenheit, alle zu beobachten, ohne sich damit verdächtig zu machen, da Leon das Gespräch an sich gerissen hatte. Sein Assistent saß schweigend neben ihm.
»Ich bin ganz vernarrt in diese alte Wippe auf dem Rasen an der Westseite«, verkündete Leon und schmierte dick Butter auf ein Roggenbrötchen. »Wir müssen was mit der Wippe machen.«
»Wie wär’s mit Leggings?« schlug Claire vor.
»Großartig«, stimmte Leon begeistert zu. »Wie geschaffen zum Beinespreizen. Die Wippe, meine ich.« Er kicherte und wurde dann wieder ernst.
»Andererseits würde mir auch der Kontrast von Seide und den rauhen, verrotteten Balken gefallen. Hmm. Ich denk’ noch mal drüber nach. Hat noch jemand außer mir diese Dusche da draußen entdeckt?«
»Sie war für die Feldarbeiter da, die sich nach dem Baumwollpflücken duschen wollten«, erklärte Grace, die gerade das Dessert austeilte.
»Ich hab’ schon eine Idee, wie wir die Dusche verwenden können«, erklärte Yasmine. »Aber die bleibt vorerst geheim.«
»Ich muß eine rauchen«, sagte Rue, stand vom Tisch auf und ging auf die Veranda.
»Morgen früh will ich die Morgensonne im Hintergrund haben.« Leon hielt sich die Hände vors Gesicht und bildete mit Daumen und Zeigefingern einen rechtwinkligen Rahmen. »Wenn wir Glück haben, liegt morgen sogar Tau. Wenn nicht,
dann wird uns diese reizende Lady hier den Rasensprenger einschalten.« Er nahm Agnes’ Hand, die ihm gerade Kaffee einschenken wollte, und küßte sie. »Jedenfalls wird das Gras naß sein und funkeln. Ich seh’ es schon glitzern. Der Saum des Nachthemds soll im feuchten Rasen schleifen. Vielleicht machen wir noch eine Schulter frei, zeigen ein bißchen Brust.«
»Wir könnten Kurt in den Hintergrund stellen«, schlug Yasmine vor. »Auf die Veranda zum Beispiel, mit offenem Haar und nichts als einer Pyjamahose an.«
»Irre!« kreischte Leon. »Du brauchst dich morgen früh nicht zu rasieren, Kurt. Ich stehe auf diese Fotos, die eine postkoitale Szene suggerieren. Aber, meine liebe Agnes, Ihre Wangen stehen ja in Flammen. Verzeihen Sie mir meine Offenheit. Halten Sie mich für furchtbar ungezogen?«
Cassidy verdrehte die Augen und sah dabei zufällig auf Claire, die sich das Lachen verkneifen mußte. Sie lächelten einander an. Trotz der vielen Menschen war es ein intimer Augenblick.
Sofort bemühte er sich, die zärtlichen Gefühle zu unterdrükken, die sich in ihm breitmachten. Wenn Claire nicht seine Hauptverdächtige gewesen wäre, hätte er
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