Sündige Seide: Roman (German Edition)
hörbar aus. »Schwanger?«
»Ariel Wilde ist gestern abend während einer Predigt in Kansas City zusammengebrochen. Wenn Sie sich die Nachrichten angeschaut hätten, wüßten Sie das.« In den Zimmern auf Rosesharon gab es keine Fernseher. Solange sich ein Gast dort aufhielt, war er von der Außenwelt abgeschnitten, es sei denn, er las die Lokalzeitung, in der aber kaum nationale oder internationale Meldungen standen.
Claire schwirrte der Kopf. »Sie ist schwanger?«
»Ganz recht«, antwortete er gepreßt. »Und damit fällt sie als Verdächtige praktisch aus.«
»Nicht unbedingt.«
»In Ihren Augen vielleicht nicht. Vielleicht nicht mal in meinen. Aber für alle anderen schon. Mit wem, glauben Sie, wird die Öffentlichkeit sympathisieren? Mit der Lady, die für Mutterschaft und Güte steht, oder mit der Frau, die Pornohefte verbreitet?«
»Vielleicht ist es gar nicht Jacksons Kind«, wandte Claire ein. Sie klang wie jemand, der verzweifelt nach einer Rettungsleine schnappt. »Vielleicht ist es Joshs Baby.«
»Das glauben Sie und ich. Aber die anderen sehen in ihr eine fromme, weinende und schwangere Witwe, die weder ihren Mann mit ihrem Stiefsohn betrügen noch ihren Gatten kaltblütig ermorden würde.
Nehmen Sie sich in acht, Claire. Ariel wird diese Geschichte ausreizen. Sie haben schon zweimal erlebt, wie geschickt sie die Medien manipuliert. Sie können sie nicht einschüchtern, indem Sie ihr mit einer Klage drohen. Sie wird die Mörderin als unmoralische, opportunistische Hexe hinstellen, die ihren Mann umgebracht und sie und ihr ungeborenes Kind in eine Tragödie gestürzt hat. Das Fundament dafür hat sie schon gelegt. Und was glauben Sie – wie wird diese Hexe für die meisten Leute aussehen?« Er rückte näher. »Beginnen Sie langsam zu begreifen, was diese Schwangerschaft für Sie bedeutet?«
Sie begann nicht nur zu begreifen – sie spürte es tief in ihrem Herzen, dort, wo ihre schlimmsten Ängste saßen. Trotzdem war es töricht, Cassidy merken zu lassen, daß sie sich fürchtete.
»Was wollen Sie von mir?« fragte sie trotzig.
»Ein Geständnis.«
Sie schnaubte abfällig.
»Dann wehren Sie sich gefälligst, wenn ich Sie so angreife. Stampfen Sie mit dem Fuß auf. Schreien Sie. Werden Sie wütend oder zeigen Sie sich beleidigt. Aber ziehen Sie sich nicht hinter diese kühle Fassade zurück; das läßt Sie nur noch schuldiger aussehen. Sie können nicht mehr so tun, als ginge Sie das alles nichts an, Claire. Wehren Sie sich, um Gottes willen.«
»Ich würde mich niemals so erniedrigen.«
»Erniedrigen!« brüllte er. Sein Gesicht verzerrte sich vor Zorn.
»Verhaftet zu werden, ist erniedrigend, Claire. Vor Gericht zu stehen und im Gefängnis zu leben ebenfalls.« Sein heißer Atem fegte ihr übers Gesicht. »Verdammt noch mal, sagen Sie, daß ich Sie zu Unrecht verdächtige. Geben Sie mir etwas in die Hand, das alle meine Vorwürfe gegen Sie entkräftet.«
»Solange ich nicht unter Anklage stehe, brauche ich mich auch nicht zu verteidigen. Das Gesetz –«
»Ich pfeife auf das Gesetz! Reden Sie!«
»Mr. Cassidy?« Die zittrige Stimme gehörte Mary Catherine, die im Durchgang zum Speisesaal stehenblieb. »Warum schreien Sie Claire so an? Sie wollen sie doch nicht wegbringen, oder?«
»Natürlich nicht, Mama«, versicherte Claire eilig.
»Das kann ich nämlich keinesfalls zulassen.«
Claire eilte zu ihrer Mutter und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Mr. Cassidy und ich hatten nur . . . eine Auseinandersetzung.«
»Ach.«
Claire sah sich um. Wo war Harry? Warum war sie nicht bei ihrer Mutter? »Es ist alles in Ordnung, Mama. Ehrenwort. Geht es dir gut?«
Mary Catherine lächelte zaghaft. »Es gibt gefüllte Schweinekoteletts
zum Abendessen. Klingt das nicht lecker? Ich muß dafür sorgen, daß sie an Tante Laurels Kotelett das Fett wegschneiden. Eigentlich rührt sie kein Schweinefleisch an, weißt du? Von dem Fett bekommt sie nämlich Verstopfung. Ach, verzeihen Sie, Mr. Cassidy, daß wir in Ihrer Gegenwart so sprechen.«
Cassidy räusperte sich. »Schon in Ordnung.«
»Tante Laurel möchte ein paar Ableger von den Rosenstauden in ihren Hof pflanzen. Wäre das nicht reizend, Claire Louise?«
»Ja, Mama. Ganz reizend.«
Mary Catherine spazierte an Claire vorbei zu dem Garderobenständer neben der Tür, an dem Cassidys Sportsakko hing. Sie zog etwas aus ihrer Rocktasche und steckte es in die Brusttasche des Jacketts. Ohne sich für ihre eigenartige Handlung zu
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