Sündige Seide: Roman (German Edition)
die Entscheidung wahrscheinlich begrüßen. Ihr Verhältnis würde keinen Schaden nehmen. Im Gegenteil, wahrscheinlich würde sein Mentor ihn noch mehr achten. Crowder würde den Fall einfach einem anderen übergeben.
Nein, das ging nicht. Dieser andere wäre bestimmt aggressiv und würde Claire verhaften lassen, sobald sie nach New Orleans zurückkehrte. Man würde sie unter Mordanklage stellen. Man würde ihr die Fingerabdrücke abnehmen, sie fotografieren und einsperren. Bei dem Gedanken daran wurde ihm schlecht.
Andererseits konnte er die Vorstellung nicht ertragen, daß er eine schuldige Frau laufenließ, nur weil er scharf auf sie war. Aber so einfach war es nicht. Seit er French Silk zum ersten Mal einen Besuch abgestattet hatte und Claire Laurent begegnet war, war gar nichts mehr einfach oder normal gewesen.
Als wäre er verhext worden. Die Atmosphäre bei French Silk bezauberte ihn und zog ihn an. Es lag nicht an dem alten Gebäude, nicht einmal am französischen Viertel. Er war oft dort gewesen, seit er nach New Orleans gezogen war. Er fand die Gegend charmant, aber nie hatte er das Gefühl gehabt, durch ein Zeittor zu gehen, hinter dem alles in Zeitlupe geschah und nichts so war, wie es schien.
Nicht der Ort faszinierte ihn, sondern Claire. Sie umgab eine Aura, die ihn in Bann schlug. Diese schwer definierbare Ausstrahlung war gefährlich romantisch, unwiderstehlich verlokkend und möglicherweise sein Verderben. Er war gefangen wie in einem unsichtbaren Spinnennetz. Je erbitterter er sich zu befreien versuchte, desto tiefer verstrickte er sich. Selbst jetzt überlegte er, wie er sie vor dem Gericht bewahren konnte, obwohl er eigentlich nach einem Weg suchen sollte, sie zu überführen.
Verrückt , dachte er und schüttelte den Kopf über seine Unvorsichtigkeit. Aber trotzdem überlegte er weiter. Was konnte es schaden, über Alternativen nachzudenken? Im Gegenteil, war
ein solches Verhalten nicht besonders sensibel, verantwortungsbewußt und professionell?
Wer kam noch als Verdächtigter in Frage?
Ariel Wilde. Sie war schwanger, aber sie hatte eine ganze Reihe von Gründen, ihren Ehemann zu beseitigen. Trotzdem wäre es schwer, sie anzuklagen und hinterher als Held dazustehen. Er konnte immer Zweifel anmelden, was den Vater des Kindes betraf. Aber ein guter Anwalt würde sich solche Fragen verbitten. Der Richter würde vielleicht im Sinne der Verteidigung entscheiden, und damit hätte er sein Pulver verschossen. Seine Anklage wäre im Keim erstickt. Die Geschworenen würden nie von Ariels Affäre mit ihrem Stiefsohn erfahren, und Cassidys Ruf wäre dahin, weil er eine werdende Mutter und Beinaheheilige in ein schlechtes Licht rücken wollte.
Joshua Wilde. Cassidys Instinkt sagte ihm, daß der Junge keine Fliege umbringen konnte, von einem tyrannischen Vater ganz zu schweigen. Andererseits war er dreist genug, die Frau seines alten Herrn zu bumsen.
Das Dumme war, daß er bei einer Anklage gegen Ariel oder Josh nichts gegen die beiden in der Hand hatte. Er konnte nur auf Vermutungen und Schlußfolgerungen bauen. Wenn die Geschworenen sich an die Anweisungen des Richters hielten und im Zweifel für den Angeklagten entschieden, hätten Ariel und Josh nichts zu befürchten. Der stellvertretende District Attorney Cassidy hätte seine Glaubwürdigkeit verloren, und der wahre Mörder käme ungeschoren davon.
Dieser Gedanke war unerträglich. Vor allem anderen mußte er sicherstellen, daß das nicht passierte. Er war entschlossen, den Mörder zu schnappen und hinter Gitter zu bringen.
Oder die Mörderin.
Er dachte an Claire und fluchte, drückte seine Zigarette aus, ohne auch nur einmal daran gezogen zu haben, und zündete sich die nächste an. Er sah die Szene am Nachmittag vor sich. So zerzaust und mit schweißglänzender Haut hatte sie bezaubernd ausgesehen. In der feuchten Luft hatte sich ihr Haar verführerisch um ihr Gesicht gelockt. Sie hatte wütend und
ängstlich zugleich gewirkt. Aber als er sich ihr in den Weg gestellt hatte, war sie zu stolz gewesen, diese beiden menschlichen Schwächen, Eifersucht und Lust, zu gestehen.
Rastlos und angewidert von sich selbst rollte sich Cassidy vom Bett und zog sich eine Jeans über die Hüften. Er machte sich nicht die Mühe, sie zuzuknöpfen, bevor er die Balkontür aufzog und auf die Galerie trat. Die Luft war noch schwüler geworden. Nicht ein Lufthauch regte sich.
Er schaute zu Claires Balkontür, aber dort war alles dunkel. Sie schlief. Er blickte
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