Sündige Seide: Roman (German Edition)
Gespräch zu Ende war. »Danke, Josh«. Er reichte ihm die Hand. Der junge Mann schüttelte sie verwirrt.
»Das ist alles? Ich dachte, Sie würden mir eine Million Fragen stellen.«
»Die kommen später. Ich werde mich augenblicklich an die Arbeit machen. Lassen Sie sich solange in Gegenwart Ihrer Stiefmutter nichts anmerken. Machen Sie weiter wie zuvor. Tun oder sagen Sie nichts, was sie auf den Gedanken bringen könnte, daß Sie bei mir waren. Sie soll weiterhin glauben, daß ich sie schon vor Wochen aus der Liste der Verdächtigen gestrichen habe.« Cassidy sah Josh ernst an. »Ich weiß, daß das nicht leicht für Sie war.«
»Nein, das war es nicht. Jahrelang haben Ariel und ich beieinander Zuflucht vor unserem Vater gesucht. Wir waren voneinander abhängig. Wir erlitten das gleiche Elend und verließen uns aufeinander, um es erträglicher zu machen. Seit seinem Tod brauchen wir den anderen nicht mehr, um uns an ihm zu rächen. Der Haß auf ihn war das einzige, was uns verband.
Ich glaube, Ariel hat ernste psychische Probleme, die aus ihrer ärmlichen Kindheit herrühren. Ich bin manchmal wütend auf sie, aber meist fürchte ich mich vor ihr. Trotzdem«, er schüttelte traurig den Kopf, »kann ich ihr einen Mord nicht durchgehen lassen.«
»Josh, sie hatten eine lange Affäre mit Ariel, deshalb muß ich eines wissen – werden Sie vor Gericht gegen sie aussagen können?«
Ohne Zögern antwortete Josh: »Ja.«
Sie verabschiedeten sich. Kaum hatte Josh sein Büro verlassen, zog sich Cassidy sein Sakko über und rückte seine Krawatte zurecht. Er gab Josh genügend Zeit, das Gebäude zu verlassen, dann fuhr er mit dem Lift ein Stockwerk höher und marschierte auf Anthony Crowders Büro zu. Er mißachtete die Warnung der Sekretärin, Crowder sei furchtbar beschäftigt und wolle nicht gestört werden. Mit einer Zuversicht, die er seit Tagen
nicht mehr gespürt hatte, platzte er ohne anzuklopfen ins Zimmer.
»Bevor Sie mich anschreien, hören Sie mir zu. Ich glaube, ich weiß, wer Jackson Wilde umgebracht hat.«
Crowder schmetterte den Kugelschreiber auf den Tisch.
»Und?«
»Sein Sohn.«
Kapitel 22
Fast wortgetreu wiederholte Cassidy sein Gespräch mit Joshua Wilde. Als er fertig war, hörte Crowder mit dem Fingertrommeln auf. »Das verwirrt mich. Sie sagen, Sie halten den Sohn für den Mörder, aber er schiebt alles auf die Witwe.«
»Aus Groll. Petzen ist Rache für Feiglinge, und Josh ist ein echter Hosenscheißer.«
»Woher soll er dann den Mut gehabt haben, seinen Vater umzulegen?«
»Er hat Wilde erwischt, als der praktisch wehrlos war. Nackt. Auf dem Rücken. Wahrscheinlich sogar schlafend. Josh kannte die Gewohnheiten seines Vaters. Erwußte, wann er angreifen mußte. Das trifft übrigens auch auf Ariel zu«, murmelte Cassidy wie zu sich selbst. »Jedenfalls schoß Josh seinem Vater in die Eier, um uns zu verwirren. Es sollte so aussehen, als hätte eine Frau ihn umgebracht. Er hat mich vorhin extra noch mal daran erinnert.«
Crowder faltete die fleischigen Hände unter dem Kinn und bedachte das einen Moment. »Warum sollte Josh seinen Vater umbringen wollen? Aus Eifersucht?«
»Vielleicht. Wenn Ariels Baby von seinem Vater ist, wie sie behauptet. Aber ist glaube, er hatte ein stärkeres Motiv.«
»Stärker als Eifersucht? Geld?«
»Nicht direkt. Bestimmt war Josh scharf darauf, die Organisation zu übernehmen, nachdem sein Alter nicht mehr da war. Er hat wahrscheinlich davon geträumt, als Thronerbe ins Scheinwerferlicht zu treten. Für einen jungen Mann, der von seinem Vater gelernt hat und der immer in diesem riesigen Schatten gestanden hat, wäre das nicht so abwegig.«
»Statt dessen reißt Ariel alles an sich.«
»Mit beiden Händen. Genau wie zuvor bleibt Josh im Hintergrund. Er steht immer noch in der zweiten Reihe. Aber selbst wenn die Organisation als Motiv ausfallen sollte, bleibt noch das persönliche.«
»Und zwar?«
»Josh hat zugegeben, daß Jackson Wilde ein Tyrann war, der sie beide psychisch tyrannisiert hat. Sein ganzes Leben hat Josh für Jackson den Prügelknaben abgegeben. Ihm stand’s schließlich bis obenhin. Also hat er seinen ganzen Mut zusammengenommen und seinen Alten aus dem Weg geräumt, nur um mitzuerleben, wie seine Stiefmutter sich vordrängelt und ihn in den Schatten stellt. So etwas nenne ich frustierend.«
»Er hat einen Sklaventreiber gegen einen anderen eingetauscht.«
»Richtig. Um sie loszuwerden, denunziert er sie als Mörderin. Oder,
Weitere Kostenlose Bücher