Sündige Seide: Roman (German Edition)
haben es nicht getan. Und ich glaube nicht, daß Mr. Cassidy das glaubt.«
»Woher weißt du, daß sie es nicht getan haben, Mama?«
Mary Catherine überging die Frage mit einer anderen: »Und warum demonstrieren diese Leute schon wieder vor unserem Haus?« Demonstrierende Wilde-Anhänger hielten seit ihrer Rückkehr in die Stadt Wache vor dem French-Silk-Gebäude.
»Ich wünschte, sie würden weggehen«, meinte Mary Catherine gequält. »Morgens kommen Harry und ich kaum zum Markt. Ich gehe gerne aus, aber wenn ich mich erst durch diese Menge drängeln muß, vergeht mir der Spaß.«
Mary Catherine gab die Tatsache, daß sie nicht mehr unbehelligt zum französischen Markt gelangen konnte, mehr zu denken als die Mordanklage gegen ihre Tochter. Aber das fand Claire weniger irritierend als die Bemerkungen, die ihre Mutter zuvor gemacht hatte. »Diese Demonstrationen sind eine Plage, aber sie werden aufhören, Mama. Sobald jemand für den Mord an Reverend Wilde verhaftet wird, werden sie sich auflösen.«
»Wird er wiederkommen?«
Einen grauenvollen Augenblick lang glaubte Claire, sie meinte Jackson Wilde. »Wer, Mama?« fragte sie heiser.
»Mr. Cassidy.«
Claires Schultern sackten herab, und sie atmete tief aus. »Ich weiß nicht. Warum?«
Plötzlich standen Tränen in Mary Catherines Augen. Ihre Unterlippe begann zu zittern. »Ich habe gehofft, daß du von deinem jungen Mann nicht so enttäuscht werden würdest wie ich von meinem.« Sie zog ein dünnes Leinentaschentuch mit Monogramm aus ihrer Rocktasche. Es roch nach den rosenduftenden Säckchen, die sie in ihre Schubladen steckte.
Während sich Mary Catherine die Augen abtupfte, legte Claire ihre Hand auf die ihrer Mutter. »Wein doch nicht, Mama. So ... war es nie . . . zwischen Mr. Cassidy und mir.«
»Ach«, sagte sie leise und scheinbar untröstlich. »Dabei habe ich das so gehofft. Ich mag ihn sehr gern. Er sieht so gut aus. Und er weiß, wie man eine Dame zu behandeln hat.«
O ja, dachte Claire, er sieht gut aus. Sie erinnerte sich deutlich an sein dunkles, leidenschaftliches Gesicht, an die sinnlichen Lippen, die ihre Brüste liebkosten, an die warme, flauschig behaarte Brust. Und er wußte wirklich, wie man eine Dame zu behandeln hat, vor allem im Bett. Er spendete soviel Lust, wie er suchte, vielleicht sogar mehr. Ein so perfektes Liebesspiel konnte doch nur Berechnung sein, oder nicht?
Sie verdrängte den Gedanken. Er war zu schmerzlich. Sie war hoffnungslos in Cassidy verliebt, mit der Betonung auf hoffnungslos . Sie hatten keine gemeinsame Zukunft. Selbst wenn sie nicht auf verschiedenen Seiten in einem Kriminalfall gestanden hätten, verkörperte er das System, das sie fürchtete und haßte. Sosehr sie Cassidy als Mann liebte, sie glaubte nicht, daß sie dem Staatsanwalt Cassidy je vollkommen vertrauen könnte.
Claire brach das Herz über diesem Konflikt. Wenn sie darüber nachdachte, lähmte sie die Verzweiflung, deshalb verschloß sie diese heimliche Liebe in ihrem Herzen und tat so, als gäbe es sie nicht.
Sie hob ihre Tasse. »Gib mir bitte noch etwas Tee, Mama. Niemand macht so guten Tee wie du.« Claire versuchte, das Gespräch auf weniger verfängliche Themen zu lenken. Eine halbe Stunde später nahm Mary Catherine das Tablett wieder mit und ließ Claire allein. Sie schaute die Zeitungen durch.
Joshua Wilde stritt erbittert ab, etwas mit dem Mord an seinem Vater zu tun zu haben. Ariel beschuldigte Cassidy, sie nur zu verdächtigen, um von seiner eigenen Unfähigkeit abzulenken. Sie deutete an, daß er aus persönlichen Gründen die Hauptverdächtige schützte. Sie hatte sich geweigert, irgendwelche Namen zu nennen, selbst als sie ausdrücklich nach Claire Laurent gefragt wurde. Aber durch ihre Weigerung hatte sie die Anspielung nur unterstrichen.
Claire war natürlich erleichtert, daß sie nicht mehr Cassidys Hauptverdächtige war, aber sie konnte es sich nicht leisten, unvorsichtig zu werden. Niemand vermochte zu sagen, was Joshua Wilde tun oder behaupten würde, wenn ihn Cassidys Anschuldigungen aufschreckten. Statt eines Feindes hätte sie dann zwei.
Sie war so gedankenversunken, daß sie erschrak, als das Telefon neben ihrem Ellbogen klingelte. Sie hob erst beim dritten Läuten ab. »Hallo?«
»Claire, bist du es?«
»Andre? Bonsoir . Wie schön, von dir zu hören. Wie geht es dir?«
»Gut, gut, mir geht es gut. Nein, eigentlich . . .« Er zögerte. »Ich mache mir schreckliche Sorgen um Yasmine.«
Claire runzelte die
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