Sündige Seide: Roman (German Edition)
geschlagen hätte. Statt dessen war er aus Crowders Büro gestürmt. Seitdem waren
zwei Tage vergangen, ohne daß sie miteinander gesprochen hatten. Die Stunden rannen ihm durch die Finger.
Das Höllische daran war, daß Crowder ins Schwarze getroffen hatte. Er wollte Claire beschützen. Auch wenn er so wütend war, daß er sie am liebsten eigenhändig erwürgt hätte, wollte er sie nicht ins Gefängnis bringen. Aber wenn sie schuldig war, würde ihm nichts anderes übrigbleiben. Er würde sie lebenslänglich hinter Gitter bringen, ohne Hoffnung auf Haftverschonung, Bewährung oder Urlaub auf Ehrenwort.
Cassidy schaute auf, als er das zaghafte Klopfen an seiner Bürotür hörte. Joshua Wilde stand unsicher auf der Schwelle. »Die Sekretärin sagte, ich soll einfach reingehen.«
»Was wollen sie?« knurrte Cassidy.
»Bearbeiten Sie immer noch den Mordfall meines Vaters?«
»So steht’s jedenfalls heute morgen in der Times Picayune. Kommen Sie rein. Aber ich warne Sie, ich bin stinkwütend, wenn Sie also gekommen sind, um mir auf die Nerven zu fallen, dann tun Sie sich selbst einen Gefallen und ziehen wieder ab.«
»Ich bin nicht gekommen, um Ihnen auf die Nerven zu fallen.«
»Setzen Sie sich.« Der junge Mann setzte sich auf einen Stuhl ihm gegenüber.
Cassidy nickte in Richtung Gebäudefront. »Warum sind Sie nicht bei den anderen da unten?«
Seit seiner Rückkehr von Rosesharon mußte sich Cassidy jedesmal, wenn er ins Gebäude wollte, durch Scharen von Demonstranten kämpfen, die ihn für inkompetent erklärten. Vor dem Haus paradierte Stunde um Stunde eine laute, feindselige Menge, die ›Onward, Christian Soldiers‹ sang und mit Protestplakaten wedelte, sobald er sich blicken ließ.
»Der neueste Einfall meiner Stiefmutter«, bemerkte Josh lakonisch.
»Ich dachte, sie wäre gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen.«
»Stimmt, aber sie hat sich gleich wieder in die Arbeit gestürzt.
Sie wird Ihnen keine ruhige Minute gönnen, bis Sie den Mörder vor Gericht gebracht haben.«
»Da ist sie nicht die einzige«, murmelte Cassidy vor sich hin.
»Warum raten Sie ihr nicht, dem Umfug da draußen ein Ende zu machen? Das führt doch zu nichts.«
»Sie kommt damit in die Abendnachrichten. Und genau das will sie erreichen.«
»Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Sache umkippt. Ein paar von den Leuten hier im Haus haben einen ziemlich miesen Charakter, wissen Sie? Es wird Verletzte geben. Ariel will bestimmt keine schlechte Publicity.«
»Sie wird sich was ausdenken, um sie trotzdem zu nutzen.«
»Bei der Demonstration vor Frenck Silk ist ihr das nicht gelungen. Die Laurents haben Ihre Leute wie Totschläger aussehen lassen.«
»Ariel hat vor Wut gekocht, als Claire Laurent den Spieß umgedreht hat.« Seine ironische Miene wurde nachdenklich. »Eine interessante Frau. Die meisten Menschen hätten sich auf eine Schlammschlacht eingelassen. Sie hat Klasse. Ich bewundere ihren Mumm.«
Genau , dachte Cassidy düster. Man muß ihren Mumm bewundern.
»Aber zurück zu Ariel«, sagte Josh. »Sie hört nicht auf mich. Um genau zu sein, sie hört auf niemanden. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist sie gnadenlos. Sie läßt sich durch nichts aufhalten.«
»Sprechen wir von Ihrer Stiefmutter oder von General Patton?«
»Glauben Sie mir, Cassidy, Sie kennen sie nicht so gut wie ich. Sie ist verrückt geworden, vor allem . . . vor allem seit mein Vater ermordet wurde.«
Joshs Blick wurde unruhig und wich Cassidys aus, was ihn Hoffnung schöpfen ließ. Sein untrüglicher Instinkt sagte ihm, daß er kurz vor einem Durchbruch stand. Es war schwer, sich zu beherrschen, aber er tat, als würde ihn kaltlassen, was er bis jetzt gehört hatte. Er forderte Josh zum Weiterreden auf.
»Bestimmt haben Sie schon gehört, daß Ariel schwanger ist.«
»Darf man gratulieren?«
»Sie meinen, ob ich der Vater bin?« Josh schüttelte den Kopf.
»Sie sagt, Daddy war es. Deshalb bin ich hier.« Er stand unvermittelt auf und begann, vor Cassidys Schreibtisch auf und ab zu gehen.
»Warum entspannen Sie sich nicht und erzählen mir einfach, was Ihnen unter den Nägeln brennt?« Cassidys Tonfall war verbindlich, weil er hoffte, damit Joshs Vertrauen zu erwecken und ihn zu ermutigen.
»Ich habe Sie angelogen«, platzte Josh heraus.
»Inwiefern?«
»Wegen dieser Nacht. Ich habe gesagt, Ariel und ich wären die ganze Zeit zusammengewesen. In Wahrheit ist . . . sie . . . aus meiner Suite verschwunden und in ihre
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