Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sündige Seide: Roman (German Edition)

Sündige Seide: Roman (German Edition)

Titel: Sündige Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
Vom Netzwerk:
sie glaubte, hatte er nicht mit ihr geschlafen, um herauszufinden, ob sie schuldig oder unschuldig war. Es war einfach unvermeidlich gewesen. Seit ihrer ersten Begegnung war ihr Schicksal besiegelt.
    Sobald sie von allen Verdächtigungen reingewaschen war, würde er zu ihr gehen und sich in aller Demut für die Torturen entschuldigen, denen er sie unterzogen hatte. Sie konnte ihn unmöglich respektieren, wenn er seine Arbeit als Staatsanwalt nicht ernst nehmen würde. Wenn sie sich erst gegenseitig ihre Verfehlungen verziehen hätten, würden sie wieder miteinander schlafen.
    Die Vorstellung erregte ihn und riß ihn in die Gegenwart zurück.
Claire mußte inzwischen aus Mississippi zurück sein. Er starrte auf das Telefon, spielte mit dem Gedanken, sie anzurufen. Nein. Sie war bestimmt noch wütend. Es war besser, ihr noch ein paar Tage zum Abkühlen zu geben.
    Inzwischen würde er weitergraben und nach dem fehlenden Teilchen suchen, das jemand anderem die Schuld zuweisen und Claires Unschuld beweisen würde.
    Denn sie war unschuldig.
     
    Stirnrunzelnd betrachtete Claire die ungeöffnete Post, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelte. Rechnungen waren zu bezahlen, Memos auszusortieren, und ein bedrohlich aussehender Umschlag vom Finanzamt war zu öffnen. Ihr fehlte die Energie, die Büroarbeit anzugehen; sie schob ihre Erschöpfung auf die Reise. Sie hatte schwer gearbeitet, unter ständigem Zeitdruck, in drückender, lähmender Hitze. Sie brauchte und verdiente ein paar Tage Ruhe, bevor sie sich wieder in die Arbeit stürzte. Doch gleich darauf wurde ihr bewußt, daß ein paar Tage Ruhe ihr Problem nicht lösen würden.
    Sie verscheuchte den deprimierenden Gedanken und befaßte sich mühsam wieder mit dem Haufen auf ihrem Schreibtisch. Zwischen der ungeöffneten Post lagen noch ein paar alte Zeitungen. Einer nicht genauer bezeichneten, aber zuverlässigen Quelle zufolge konzentrierte der stellvertretende District Attorney Cassidy seine Ermittlungen inzwischen auf Ariel und Joshua Wilde.
    Sie schaute auf seinen fettgedruckten Namen, bis sie jedes Zeitgefühl verloren hatte. Wahrscheinlich hätte sie noch weiter gedankenversunken auf die Zeitung gestarrt, hätte ihre Mutter sie nicht aus ihren Gedanken gerissen, die mit einem Tablett in der Tür stand.
    »Wie wäre es mit etwas Tee, Claire Louise? Du siehst in letzter Zeit so müde aus. Ich dachte, vielleicht könnte ich dich damit etwas aufmuntern.«
    »Danke, Mama. Das klingt wunderbar. Aber nur, wenn du eine Tasse mittrinkst.«
    »Ich habe gehofft, daß du das sagen würdest.«
    Claire lächelte, nahm eine Zeitungsausgabe in die Hand und ging zu der Sitzecke, in der sie sich bei seinem ersten Besuch mit Cassidy unterhalten hatte. Anscheinend erinnerte sie alles an ihn. Es mißfiel ihr, daß er soviel Macht über sie hatte. Er hatte sie weder angerufen noch sonst einen Versuch unternommen, sie wiederzusehen, seit er an jenem Morgen ohne Abschied von Rosesharon verschwunden war. Sie wußte nicht, ob sie erleichtert, verzweifelt, verletzt oder alles zusammen sein sollte.
    Wenn sie an ihn dachte, erwachten alle ihr bekannten Gefühle zugleich in ihr; manche waren angenehm, andere furchtbar. Bisweilen ertappte sie sich dabei, versonnen zu lächeln, nur um im nächsten Augenblick den Tränen nahe zu sein. Seit die Sozialarbeiter sie aus Tante Laurels Haus holen wollten, hatte niemand mehr soviel Macht über sie gehabt.
    Mary Catherine setzte das silberne Tablett auf dem Kaffeetischchen ab. Sie reichte Claire eine handbestickte Leinenserviette und schenkte dann aus der Porzellankanne duftenden Tee in zwei Tassen.
    Sie plauderten über Belanglosigkeiten, tranken Tee und knabberten Kekse, die Mary Catherine und Harry am Morgen gebacken hatten. Die Reise nach Mississippi hatte Mary Catherine gutgetan. Claire stellte fest, daß die Wangen ihrer Mutter rosig und gesund aussahen wie seit Jahren nicht mehr. Ihr Blick war klar und lebhaft. Nichts war von der Leere zu merken, vor der sie sich schon als Kind gefürchtet hatte, seit sie darin den Vorboten eines Anfalls erkannt hatte. Mary Catherine schien ihre Umwelt besser wahrzunehmen. Soweit Claire wußte, hatte sie seit der Sache mit Cassidys Füllhalter keine Anfälle mehr gehabt.
    Als würde sie Claires Gedanken erraten, sagte sie: »Wie ich sehe, hast du Zeitung gelesen. Angeblich glaubt Mr. Cassidy inzwischen, daß Jackson Wildes Sohn oder Witwe ihn umgebracht haben. Ist das nicht lächerlich?«
    »Lächerlich?«
    »Sie

Weitere Kostenlose Bücher