Sündige Seide: Roman (German Edition)
Das schien ihr zu gefallen. Sie lehnte sich zurück. »Danke.«
»Man hat mir unterwegs mitgeteilt, daß der Sarg mit Reverend Wildes Leichnam ebenfalls an Bord des Flugzeugs sein wird.«
Sie tupfte sich mit einem bestickten Taschentuch die Augen. »Jackson wurde vor mehr als einer Woche ermordet. Seinen Mörder haben sie nicht gefaßt, statt dessen haben Sie mich daran gehindert, ihn zu begraben.«
Ihr Stiefsohn legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Es war eine entsetzliche Tortur für uns, Mr. Cassidy. Vor allem für Ariel.«
»Das war es bestimmt.«
»Wir möchten Daddys Leichnam heimbringen, begraben und uns dann erholen. Allerdings werden wir nach New Orleans zurückkehren, sobald der Täter gefaßt ist. Ich möchte ihn persönlich fragen, warum er es getan hat.«
»Das würde ich ihn auch gern fragen.« Cassidy öffnete die Akte, die ihm ein Bürobote vor der Tür überreicht hatte. »Zur Sicherheit möchte ich mit Ihrer Hilfe ein paar Angaben überprüfen.« Er wühlte in den Papieren, damit die Frage gerechtfertigt wirkte. »Sie – also Sie drei und ein paar Anhänger – kamen wann im Hotel an?«
»Zweiundzwanzig Uhr fünf«, antwortete Ariel ungeduldig.
»Mr. Cassidy, das haben wir schon tausendmal besprochen.«
»Ich weiß, aber manchmal erinnert sich ein Zeuge bei der wiederholten Schilderung an etwas, das er zuvor vergessen hatte. Bitte verzeihen Sie mir.«
Sie seufzte leidend. »Wir sind um zweiundzwanzig Uhr fünf angekommen. Wir waren hungrig und aßen im Hotel. Das können die Angestellten bestimmt bezeugen.«
»Das haben sie. Ist irgend jemand während des Essens vom Tisch aufgestanden?«
»Ich glaube nicht. Josh, kannst du dich daran erinnern, daß jemand aufgestanden ist?«
»Nein. Warum ist das so wichtig, Mr. Cassidy?«
Es war immer noch nicht klar, wie der Täter in Wildes Suite gelangt war. Cassidy hielt es für möglich, daß jemand aus dem inneren Kreis Zugang zu einem Schlüssel gehabt und Wilde erwartet hatte, als der vom Essen kam. »Ich wollte nur sichergehen.«
»Ich glaube nicht, daß jemand aufgestanden ist, bevor wir fertig waren«, erklärte ihm Ariel. »Wir waren alle zusammen im Lift und stiegen in den verschiedenen Stockwerken aus.«
»Sie beide und Jackson Wilde sind also im siebten Stock aus dem Lift gestiegen?«
»Richtig. Jackson reservierte für uns immer ein ganzes Stockwerk, damit die Familie nicht gestört wurde.«
»Hmm.«
»Ich gab Jackson einen Gutenachtkuß am Lift und ging dann in Joshs Suite, um die Lieder für den nächsten Gottesdienst einzustudieren.«
»Singen Sie immer mit vollem Magen, Mrs. Wilde?«
»Pardon?«
Cassidy lehnte sich im Stuhl zurück, spielte mit einem Bleistift und musterte die beiden eindringlich. »Ich kenne ein paar Sänger. Ich kenne keinen, der nach dem Essen singen würde. Ein voller Magen drückt aufs Zwerchfell, oder nicht?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Sie sagten, daß Sie zum Üben in Joshs Suite gegangen sind.«
»Das kann ich erklären«, mischte sich Josh hastig ein. »Wenn Ariel und ich außerhalb des Vortragssaales üben, arbeiten wir nur am Timing, am Rhythmus und so weiter. Sie singt erst beim Soundcheck im Vortragssaal.«
»Aha«, bemerkte Cassidy. »Deshalb hörte Sie in dieser Nacht niemand singen.«
»Im siebten Stock war niemand, vergessen Sie das nicht«, erinnerte ihn Ariel zuckersüß.
»Richtig. Aber die Zimmer über und unter Joshs Suite waren belegt, trotzdem haben die darin wohnenden Gäste niemanden singen oder Klavier spielen gehört.«
»Was wollen Sie damit andeuten, Mr. Cassidy?«
»Daß Sie vielleicht in Joshs Suite gegangen sind, um auf ganz andere Weise zu musizieren.«
Die Witwe sprang auf und funkelte ihn wütend an. »Wie können Sie es wagen!«
»Niemand kann Ihre Version bezeugen, Mrs. Wilde.«
»Niemand kann sie widerlegen.«
»Und ich glaube, genau das wollten Sie auch.«
»Glauben Sie, was Sie wollen.«
»Ich glaube, daß Sie Ihre Affäre nicht beenden wollten und daß einer von Ihnen oder Sie beide sich in dieser Nacht in das Zimmer Ihres Mannes geschlichen und ihn erschossen haben. Sie haben ihn die Nacht über liegenlassen und am Morgen für die Presse und die Öffentlichkeit diese Tränendrüsengeschichte inszeniert.«
Ihre blauen Augen wurden gefährlich schmal. »Sie sind ein Werkzeug des Teufels.«
»Gut möglich«, antwortete Cassidy offenherzig. »Ich habe ihm nie großen Widerstand geleistet.«
»Wollen Sie uns etwa aufgrund dieser
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