Suendiger Hauch
verschlimmern würde.
Stattdessen versuchte sie angestrengt, zu verstehen, was sie sagten, und wartete voller Anspannung darauf, dass die Männer das Haus verließen und Lucien zurückkehrte. Plötzlich wurde es still in der Halle, die schwere Eichentür öffnete und schloss sich wieder, und Kathryn seufzte erleichtert auf. Dann hörte sie Luciens näher kommende Schritte, und sie wappnete sich für die Begegnung mit ihm.
Er hatte den Goldenen Salon beinahe erreicht, als ihn das Geräusch rascher Schritte und das Rufen der Bediensteten unmittelbar vor der Tür innehalten ließ. Kathryns Puls beschleunigte sich, während sie sich vorzustellen versuchte, was passiert sein könnte. Sie öffnete die Tür und trat hinaus in den Korridor.
»Was ist los? Was ist passiert?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht.« Er wandte sich um und ging in Richtung des rückwärtigen Teils des Hauses, während Kathryn sich beeilen musste, um mit ihm Schritt halten zu können. Bennie Taylor kam auf sie zugestürzt.
»Es ist Mikey!«, schrie er. »Kommen Sie schnell!«
Kathryns Herzschlag drohte auszusetzen. Lucien begann zu laufen. Kathryn folgte ihm, während eine neue Angst nach ihrem Herzen griff. Lucien erreichte das Kind als Erster und schob sich zwischen den beiden Stallburschen hindurch, die sich neben den Jungen im Gras niedergekniet hatten. Einer hielt Michael, während der andere mit kraftvollen Schlägen gegen seinen Rücken hämmerte. Ohne eine Sekunde zu zögern, riss er den Jungen an den Knöcheln empor, hielt ihn kopfüber in die Luft, schlug auf seinen Rücken und schüttelte ihn, um den Gegenstand, den er geschluckt hatte, zu lösen.
Michaels Gesicht nahm langsam eine purpurfarbene Färbung an, während ein schreckliches pfeifendes Geräusch aus seiner Kehle drang. Die ganze Zeit über starrte er Lucien flehend aus seinen schreckgeweiteten blauen Augen an.
»Verdammt noch mal, was hat er geschluckt?«, wollte der Marquis wissen, während er noch immer versuchte, den Gegenstand zu entfernen, der in Michaels Luftröhre hing.
»Nur ein Bonbon.« Bennies Augen füllten sich mit Tränen, während Lucien das Kind wieder auf den Boden legte und seinen Mund öffnete, um seine langen Finger in seine Kehle zu schieben. Vielleicht konnte er das Bonbon ja so aus seinem Hals bekommen.
»Er hat Hunger gehabt, und der Koch hat uns ein Bonbon gegeben. Das is’ alles, nur ’n Bonbon.«
Kathryn unterdrückte ein Schluchzen, während ihr Herz wie verrückt gegen ihre Brust hämmerte und ihr eigener Atem zu stocken begann. Lieber Gott, der Marquis tat doch alles, was in einem solchen Fall zu tun war, alles, wovon sie gelesen hatte, doch trotzdem schien nichts zu funktionieren. Das Gesicht des kleinen Jungen war mittlerweile dunkelrot, und seine kleinen Hände umklammerten verzweifelt seinen Hals.
Kathryns Puls rauschte in ihren Ohren, und sie zitterte am ganzen Körper. Zum ersten Mal in ihrem Leben dachte sie, sie würde tatsächlich ohnmächtig werden, während sie auf den kleinen Michael hinabsah und die wenige Luft hörte, die er in seine Lungen zu befördern vermochte.
Plötzlich schlossen sich Michaels Augen, und sein Körper erschlaffte.
»Er ist bewusstlos!«, schrie Lucien und sah zu Kathryn. Seine Augen waren so voller Schmerz, dass Kathryn ihn regelrecht in ihrem eigenen Körper spüren konnte. »Er stirbt, Kathryn! Wir müssen ihm helfen!«
»Er hat am Bonbon gelutscht«, jammerte Bennie. »Dann fing er an zu lachen, weil Joey sagte ...«
»Kathryn«, schrie Lucien. »Was soll ich tun?«
Heiße Tränen kullerten über ihre Wangen. »Halt ihn noch einmal kopfüber, vielleicht...«
»Das funktioniert nicht, das hast du doch gesehen! Michael stirbt! Jahrelang hast du über diesen verdammten Büchern gesessen, also unternimm jetzt sofort etwas!«
Kathryn schluckte, während die eiskalte Hand der Angst nach ihrem Herzen griff. Lieber Gott, nicht Michael! Sie liebte den Jungen, als sei er ihr eigener, und mit ansehen zu müssen, wie er litt, ließ sie fast den Verstand verlieren. Sie atmete tief ein, kämpfte verzweifelt ihre Angst zurück, die Hoffnungslosigkeit und den Schmerz. Fieberhaft durchforstete sie ihr Gehirn nach etwas, was sie tun konnte. Lucien hatte Recht. Sie musste etwas unternehmen - sie musste ihn retten!
»Er muss atmen«, sagte sie mit zitternder Stimme, verzweifelt darum bemüht, ihre Fassung wiederzuerlangen. »Alles andere ist unwichtig. Eine Art Röhre führt durch den Hals, so gelangt die
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