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Sündiger Mond

Sündiger Mond

Titel: Sündiger Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Burton
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das Geländer, damit sie in der Dunkelheit den Weg fand, mit der anderen hielt sie sich die Haube fest, damit der Wind sie ihr nicht vom Kopf wehte. Sie war dankbar dafür, dass die Laternen noch nicht leuchteten. So konnten sie die Männer in den Zollhäuschen nicht sehen. Es war so finster, dass sie nur schwach die Umrisse von Somerset House am nördlichen Ende der Brücke erkennen konnte, und dahinter die Kuppel von St. Paul’s. Den Blick fest auf das altehrwürdige Gotteshaus gerichtet, flüsterte sie: » Verzeih mir!«

    Mit einiger Mühe erklomm sie die Balustrade und blieb einen Moment lang dort stehen. Ihre Röcke bauschten sich im Wind. Sie atmete den vertrauten moderigen Geruch des Flusses ein und hörte, wie das Wasser gegen die Stützblöcke aus Granit schlug – aber sehen konnte sie nichts, nur tiefe Dunkelheit.
    Sie löste die Bänder ihrer Haube und ließ sie sich vom Wind aus der Hand reißen.
    Ein heftiger Windstoß brachte sie ins Taumeln, und beinahe wäre sie hinuntergestürzt. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich bemühte, ihr Gleichgewicht wiederzufinden.
    Wie ein Seiltänzer breitete Caroline die Arme aus und spähte hinunter in den schwarzen Abgrund. Ihre Entschlossenheit war plötzlich verschwunden, sie hatte nur noch schreckliche Angst. Sollte sie wirklich springen? Vielleicht …
    Eine weitere Böe schob sie vorwärts, und sie rutschte mit den glatten Sohlen ihrer Schuhe aus. Gott, nein …
    Sie ruderte wild mit den Armen, aber da schlug auch schon das kalte Wasser über ihr zusammen. Oh, Jesus! Verzeih mir! Verzeih mir, Gott!
    Strampelnd versuchte sie, sich über Wasser zu halten, und griff blindlings in die Dunkelheit über sich. Bitte, bitte.
    Ihre Lungen brannten, und dann prallte sie gegen etwas Hartes, das sie in Brust und Bauch stieß.
    Eine barsche Männerstimme ertönte: »Packt zu! Haltet Euch fest!«
    Mit beiden Händen griff Caroline zu – jemand hielt ihr ein Paddel hin. Ihre Finger glitten über das Blatt, bis sie sich schließlich um den Griff schlossen.
    »Haltet fest!«, rief die Stimme.
    Caroline spürte, wie jemand sie am Paddel hochzog. Sie keuchte und rang nach Luft, als sie an der Wasseroberfläche war, und während Hände nach ihr griffen und sie auf ein kleines
Ruderboot hievten, spuckte und hustete sie. »Vorsichtig, Jack«, brummte jemand. »Wenn wir kentern, ertrinken wir alle.«
    Es gelang ihnen jedoch, Caroline an Bord zu ziehen, ohne dass das Boot umschlug. Durchnässt und zitternd brach Caroline zusammen. Ihr ganzer Körper tat ihr weh, aber sie war unendlich dankbar für ihre Rettung.
    »Danke«, ächzte sie. »O mein Gott, danke.«
    Im Boot saßen zwei Männer, beide in dicke Arbeitskleidung gehüllt. Einer ruderte zum Nordufer, während der, der Jack hieß, Caroline half, sich aufzusetzen, und ihr die nassen Haare aus dem Gesicht strich. »Ihr wolltet Euch von unserer schönen neuen Brücke stürzen, was?«
    Caroline ließ den Kopf in die Hände sinken und nickte.
    »Wie kommt ein hübsches junges Mädchen denn auf so eine Idee?«
    Müde schüttelte sie den Kopf.
    »Selbstmord ist keine Antwort auf ein Leben in Sünde«, sagte er.
    Sie blickte auf.
    »Ihr seid nicht die Einzige, die sich in die Themse geworfen hat, weil sie das Leben nicht mehr ertragen konnte.« Bevor sie seine Vermutung korrigieren konnte, sagte er: »Ihr wisst, dass wir Euch einliefern müssen, oder?«
    »Mich einliefern?«
    »Ich und Hugh, wir sind bei der Flusspolizei. Als wir gesehen haben, dass ein Strohhut von der Brücke herunterflog, sind wir in diese Richtung gerudert und haben Euch schreien gehört, als Ihr gesprungen seid. Es gibt ein Gesetz gegen Selbstmord, wisst Ihr. Wenn man dabei erwischt wird, wird man bestraft.«
    »Ich … ich wollte es eigentlich nicht.« Caroline konnte sich nicht erinnern, geschrien zu haben, aber ihre Kehle fühlte sich
rau an. »Das heißt, ursprünglich wollte ich es schon, aber ich habe meine Meinung geändert.«
    »Das tun die Leute meistens, wenn sie erst mal aufs Wasser aufschlagen«, sagte Jack. »Wo wohnt Ihr?«
    »Ich habe kein Zuhause mehr. Ich habe nichts.«
    »Na gut, dann bringen wir Euch zur Wache in der Newcastle Street, und morgen früh werdet Ihr dem Magistrat vorgeführt. «
    Sie legten im Nordosten der Brücke an, und die beiden Wachmänner führten die nasse, zitternde Caroline die Treppe hinauf zur Wellington Street. Jack packte sie an einem Arm und Hugh am anderen, als ob sie glaubten, sie hätte noch genug Energie

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