Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Minute, länger nicht. Er vergaß nicht die verschlossene Tür der Zelle und auch nicht den langen Gang, den sie überwinden mussten. Außerdem war da noch der Palast über ihren Köpfen, in dem die Diener und Soldaten des Fürsten lauerten.
Er und Emma mussten von hier verschwinden, ehe der Fürst auf den Tisch kam.
Doch diese eine Minute, in der sie sich aneinander festhielten, war so viel mehr: Licht und Leben. Ihre Liebe wurde erneut bekräftigt.
»Kannst du stehen?«, fragte er schließlich.
»Ja.« Sie kam humpelnd auf die Füße. »Ich habe nur … Beim Sturz von Old Nelson habe ich mich verletzt, und das konnte nicht besonders gut heilen.«
»Natürlich konnte es das nicht.« Er versuchte, beruhigend zu klingen. Wenn er das vorher gewusst hätte … Hätte er sich dann bremsen können? Oder hätte er Sandre dann umgebracht, als er die Gelegenheit dazu hatte?
Er nahm die Fackel vom Boden und half ihr. Doch die schweren Eisenringe mit den Schlüsseln behinderten ihn. Er starrte die beiden Ringe an. Am liebsten wollte er sie wegwerfen, doch er wusste, wie dumm das wäre. Solange Emma und er nicht aus dem Kerker entkommen waren, war es gut möglich, dass er sie noch einmal brauchte.
»Hier.« Sie hob die dreckige, dünne Matte hoch, die Sandre boshaft als Matratze bezeichnet hatte. »Leg sie hier drunter.«
Der Bettrahmen war aus verrosteten Eisenrohren und Metalldraht gefertigt. Er gab ihr die Fackel und hatte im Nu die Schlüssel versteckt. Sie konnten jederzeit zurückkommen und die Schlüssel holen. Und wer wusste schon, ob die Schlüssel einem zukünftigen Gefangenen nicht nützlich sein konnten?
Er nahm die Fackel wieder an sich und legte den freien Arm um ihre Taille. So steuerten sie die Zellentür an.
Sie humpelte und schonte eine Hüfte. »Das wird bald besser«, versicherte sie ihm. »Sobald ich etwas laufe, legt sich der Schmerz.«
Es schien ihr auf dem Weg durch den nachtschwarzen Gang aber nicht besser zu gehen.
Seine Hände ruhten auf ihren Rippen, und er spürte, wie schrecklich dünn sie in so kurzer Zeit geworden war. Seine Wut erwachte mit neuer Kraft. »Haben sie dich hungern lassen?«
»Wenn ich gehungert habe, war es allein meine Schuld.« Auf dem ersten Treppenabsatz hielt sie ihn zurück. »Ich kann nicht weiter, wenn ich dich nicht vorher um Verzeihung bitten darf. Ich konnte während der dunklen Tage und Nächte nur an das eine denken – nämlich dass Lady Fanchere und du alle Hebel in Bewegung setzen würdet, um mich zu retten. Und es war allein mein Fehler, dass ich hier gelandet bin. Ich habe die Beherrschung verloren und bin einfach drauflosgeritten, ohne an etwas anderes zu denken als an die Befriedigung meiner eigenen Rachegelüste. Es ist das eine, wenn ich für meine eigene Gedankenlosigkeit bezahle. Aber dich damit in Gefahr zu bringen … Ach, Michael! Das tut mir so leid.«
Er war verlegen. »Ich kann nicht glauben, dass du mich um Verzeihung bittest, nachdem ich dich so sehr getäuscht habe.«
»Das vergebe ich dir auch nicht.« Sie klang gerissen, und er hörte sogar ihren alten Humor wieder heraus. Sie küsste ihn einmal und legte all ihre Leidenschaft in diesen einen Kuss. »Ich will dich für den Rest deines Lebens dafür bezahlen lassen.«
Er schnaubte, doch dann stockte ihm der Atem. »Dann wirst du mich heiraten?«
»Wenn du mich noch willst. Michael …« Sie streichelte seine Wange. »Ich liebe dich.«
Das war alles, was er hören musste. »Komm. Wir müssen von hier verschwinden. Dies ist nicht der richtige Ort, um sich zu lieben.«
Sie lachte, während er sie halb trug, halb stützte. Sie stiegen die Treppe hinauf und gingen durch das obere Tor. Sie hatte nicht einmal einen Blick für Gotzon übrig, als Michael die Fackel neben dem Leichnam fallen ließ. Die nächste Treppe war von zahlreichen Fackeln beleuchtet, und am oberen Ende konnte er bereits das weiche Kerzenlicht des Palasts ausmachen.
Sie bewegten sich jetzt schneller voran und hatten schon fast den Kerker verlassen. Sie erreichten den oberen Treppenabsatz …
Doch dort stand Jean-Pierre. Er hielt ein Schwert in der Hand und versperrte ihnen den Weg.
47
Michael trug keine Waffe in den Händen, weil er Emma die Stufen hinauf geholfen hatte.
Jetzt waren sie dem Feind hilflos ausgeliefert. Sie standen Jean-Pierre gegenüber, der sie mit seinem hellen, tödlichen Blick maß und ein scharfes Schwert in der Hand hielt.
Jean-Pierre schaute sie kurz an und konzentrierte sich dann ganz
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