Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Fenster gingen nach Süden und boten einen Blick über die hügelige Rasenfläche und sauber gepflegte Gartenanlage. Dahinter öffnete sich der Blick zu dem langen Tal, durch das ein wilder Fluss strömte und in dem die Hauptstadt Moricadias im Schatten der Pyrenäen hockte.
Das Haus war so unbeschreiblich grandios, dass es ihre Vorstellungskraft überstieg. Der Ausblick war großartig, überwältigend und atemberaubend. Sie drehte sich mit großen Augen zu Mr Brimley um.
»Ja, es ist großartig.« Er senkte die Stimme. »Aber was ich Euch sagen wollte, Miss Chegwidden, ist Folgendes: Obwohl wir das Leben Privilegierter in einer grandiosen Kulisse führen, sitzen wir auf einem Pulverfass, das jeden Augenblick in die Luft gehen könnte.«
9
Brimleys Worte ließen Emmas Mut sinken. Alles, was sie sich wünschte, war doch lediglich eine Anstellung, bei der sie sich um eine ruhige und gelassene Dame kümmern konnte – eine ältere Dame beispielsweise. Emma konnte ihr vorlesen, konnte sich in den Jahren ihres Lebensabends um sie kümmern … Sobald sie nach England zurückkam, wollte sie bei der Akademie der Gouvernanten um eine Position dieser Art bitten.
Als sie ihre Arbeit für Lady Lettice aufnahm, hatte sie Abenteuer gesucht. Aber keine Gefahr. Sie war nie so dumm gewesen, sich zu wünschen, Gefahren zu erleben. Wenn es hier so gefährlich war, sollte sie diesen Ort lieber schleunigst verlassen.
Dann hörte sie Stimmen von unten. Die Stimmen von Damen und das Klappern von Geschirr. Sie hörte Lady Fancheres Stimme und dachte an ihre besorgniserregende Schwangerschaft. Sie wusste, sie konnte jetzt nicht gehen. Sie wurde hier gebraucht. Emma strich ihr Kleid glatt und blickte Brimley an. »Vielleicht habt Ihr recht, Mr Brimley. Vielleicht werde ich noch erleben, dass ich meinen Entschluss zu bleiben bereue, aber wie Ihr ja schon bemerkt haben werdet, weiß ich nicht, wohin ich sonst gehen sollte.«
Seine braunen Augen blickten sie wärmer an. »Ich dachte mir, dass Ihr das sagen würdet. Engländer laufen vor keiner Herausforderung davon.«
Eine »Herausforderung«? Für ihn war eine Revolution eine »Herausforderung«? Sie starrte ihn groß an. Offensichtlich war Brimley aus hartem Holz geschnitzt.
Er steuerte die Treppe an. »Lady Fanchere legt Wert darauf, dass ihre Diener gut behandelt werden. Da ich für diesen Haushalt verantwortlich bin, möchte ich, dass Ihr zu mir kommt, wenn Ihr irgendetwas braucht oder besorgt seid.«
Sie eilte ihm nach. »Danke, das werde ich sicher tun.«
Am oberen Treppenabsatz drehte er sich zu ihr um und fügte leiser hinzu: »Ihr seid jedenfalls noch jung und liebt zweifellos Intrigen und Abenteuer.«
»Nein!«
Brimley schenkte ihr keine Beachtung. »Lasst Euch von mir warnen, damit Ihr nicht in etwas verstrickt werdet, das einem Komplott ähneln könnte. Haltet Euch von den Moricadiern fern, die etwas zu planen scheinen. Die Familie de Guignard kennt keine Gnade, wenn es darum geht, ihre Macht über dieses Land zu festigen, und sie werden nicht zögern, auch Euch einzukerkern, Miss Chegwidden. Ihr seid zwar Engländerin, aber sie sind auch schon rigoroser mit Menschen umgegangen, die versucht haben, eine Revolution voranzutreiben.«
Ein Mann in einem ordentlichen schwarzen Anzug ging durch die Eingangshalle unter ihnen. Sein rötlich blondes Haar war kurz geschnitten, sie schätzte sein Alter auf ungefähr 25 oder knapp 30 Jahre. Trotzdem bewegte er sich wie ein alter Mann. Er ging seitwärts wie eine Krabbe, ein dunkler Ärmel seines Anzugs war hochgesteckt und bedeckte dort, wo eigentlich Arm und Hand sein sollten, einen Stumpf.
»Das ist Durants Leibdiener. Er ist Moricadier, vor zwölf Jahren wurde er beschuldigt, einem Jungen zu helfen, der Fürst Sandre einen Streich spielte. Der Junge entkam. Rubio leider nicht.« Allzu anschaulich zeigte Brimley ihr, welche Konsequenzen es haben konnte, wenn man sich von Unvernunft hinreißen ließ. »Die de Guignards haben ihn auf der Streckbank gefoltert.«
»Das sind ja mittelalterliche Methoden!« Sie beobachtete Rubio, der in einem langen Korridor verschwand.
»Absolut. Vorher konnte er voller Selbstvertrauen überall hingehen, wohin er wollte. Jetzt bedeutet für ihn jeder Schritt Qualen.«
»Und sein Arm?«
»Sie haben ihn so gründlich in die Mangel genommen, dass der Wundbrand einsetzte. Um sein Leben zu retten, musste er amputiert werden.«
»Der arme Mann!«
»Er ist ein fähiger Leibdiener, trotzdem würden
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