Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Tag. An einem guten Glas Wein. Am Lächeln eines Kindes.« Er wandte sich ihr zu. Seine grünen Augen blickten sie ernst an. »An meiner einzigen Chance auf Liebe.«
Flirtete er etwa mit ihr? Bestimmt nicht.
Dann erinnerte sie sich wieder an seine fesselnde Vorstellung bei Lady Fancheres Teegesellschaft, und sie erkannte, dass er vermutlich wirklich mit ihr flirtete. Für diesen englischen Lord war flirten offenbar genauso lebensnotwendig wie atmen. Zurückhaltend erklärte sie: »Das sind erstrebenswerte Empfindungen. Würdet Ihr Euch nicht eher an die Chance auf Freiheit klammern?«
»Ich nehme alle Segnungen, die ich bekommen kann, und ich danke Gott für jede einzelne. Doch während ich meine kurze, scheinbare Freiheit genieße, bin ich noch klug genug, um zu wissen, dass es selbst in einem so kleinen Land wie Moricadia unmöglich ist, mit einem Karren zu entkommen, wenn er von einem Pony wie diesem hier gezogen wird.« Er zeigte mit der Peitsche auf das Tier.
Emma musste zugeben, dass er recht hatte. Das Pony war rund wie ein Fass und bewegte sich lethargisch. Jemand hatte ihm eine pinkfarbene Schleife in die Mähne geflochten. Wenn diese Stute galoppieren konnte, und Emma sah eigentlich nichts, was darauf schließen ließe, dann wären ihre Beine so kurz, dass ein Jagdhund sie schon nach hundert Metern eingeholt hätte.
»Wenn ich versuchen würde zu fliehen, wäre ich zu Fuß schneller unterwegs. Aber meine Stiefel sind dafür zu abgenutzt.« Mit einem Lachen zeigte er ihr die Schuhsohle.
Sie war entsetzt, als sie erkannte, dass sie den Socken durch das Loch im Leder sehen konnte. »Was? Aber warum?«
»Ich trage diese Stiefel, seit der Fürst in seiner unendlichen Weisheit befahl, mich ins Gefängnis zu schicken. Seitdem sind sie eben etwas … schäbig geworden.«
Sie überlegte, was sie ihn als Nächstes fragen konnte. Habt Ihr kein anderes Paar Stiefel? Könnt Ihr sie nicht neu besohlen lassen? Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, ein paar Bögen Papier so zuzuschneiden, dass sie größer als das Loch sind, um sie im Schuh einzulegen?
Stattdessen stieß sie nur hervor: »Was habt Ihr verbrochen?«
»Ihr meint, um eingesperrt zu werden? Nichts. Allerdings beschuldigt man mich, die Feinde des de Guignard-Regimes zu unterstützen, und man sagte mir, man werde mich so lange festhalten, bis ich die Namen der Verschwörer verrate.«
Sie erinnerte sich an Brimleys Warnung, sich von jeglicher Intrige fernzuhalten. Aber sie erinnerte sich auch, dass er erklärt hatte, die de Guignard würden nicht zögern, jeden einzusperren, von dem sie nur vermuteten, er könne einen Verrat planen. Er hatte wohl über Durant gesprochen. »Warum habt Ihr keine Namen genannt?«
»Sehe ich aus wie ein Mann, der mit irgendwelchen Verschwörern unter einer Decke steckt?«
Sie musste zugeben, dass er nicht so aussah. Ein Mann, der sogar zu faul war, seine Stiefel in Ordnung zu bringen oder sich neue zu kaufen, war bestimmt auch zu faul, um sich mit dem schmutzigen Geschäft eines Aufstands abzugeben. »Warum haben sie Euch laufen lassen?«
»Sie haben gehofft, ich würde sie zu den Verschwörern führen.«
»Während Ihr unter Hausarrest steht?«
»Sie beobachten meine Bewegungen und überprüfen jeden, mit dem ich zu sprechen wage oder mit dem ich Zeit verbringe.« Er lächelte sie an. »Ihr solltet lieber Angst haben, mit mir gesehen zu werden. Vielleicht werden sie jetzt glauben, Ihr seid eine Revolutionärin.«
»Eine Revolutionärin?« Sie lachte erstickt. »Niemand würde das von mir glauben.«
»Weil Ihr eine Frau seid?«
»Nein, weil ich ein Feigling bin.«
»Bei der Gesellschaft der Thibaults habt Ihr auf mich nicht den Eindruck eines Feiglings gemacht.«
»Ich schwöre Euch, Sir, ich habe diesen Fisch nicht mit Absicht in Lady Lettices Ausschnitt fallen lassen.«
»Dessen bin ich mir bewusst. Ich meinte auch vielmehr Eure Flucht in den Wald.«
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und sie drehte sich alarmiert zu ihm um. »Woher wisst Ihr davon?«
Er lehnte sich leicht zurück und wirkte überrascht. »Ich weiß, dass Ihr die Neigung habt, Euch zu verirren, und dass man Euch vor dem Château auf die Straße gesetzt hat, weiß ich auch. Die anderen Gäste, die den Ball verließen, haben Euch nicht gesehen, weshalb ich einfach aus diesen Tatsachen schließe, dass Ihr Euch zur falschen Seite gewendet und verirrt haben.«
»Oh.« Zum ersten Mal während dieser Ausfahrt entspannte sie sich etwas. »Tut
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