Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
hieß das nicht, dass sie seine Einladung nicht annehmen sollte. Sie stand auf und gesellte sich zu ihm und den anderen Mitgliedern der moricadischen Gesellschaft, die durch das große Atrium schlenderten, miteinander redeten und ihr widerliches Wasser tranken. »Warum habt Ihr Euch in diesem Land niedergelassen?«
Mr Lawrence verscheuchte mit einer Handbewegung einen Diener, der ihnen ein Tablett mit Bechern hinhielt. »Ich bin eigentlich im Exil hier. Mein Vater ist ein kleiner Tyrann, und ich scheue es, mich von ihm an die Kandare legen zu lassen. Außerdem hat er es geschafft, dass ich auf Jahre in der Gesellschaft in Ungnade gefallen bin. Ich bin also nicht gerade besonders wohlgelitten im bon ton .«
Er klang wie ein Außenseiter. Das hatten sie gemeinsam. Sie und der Schnitter. »Warum ist das so, Mr Lawrence?«
»Ich bin ein Bastard«, erklärte er rundheraus.
Jetzt konnte er sich wieder ihrer vollen Aufmerksamkeit gewiss sein.
»Das tut mir leid, ich habe Euch wohl sprachlos gemacht«, sagte er. »Aber es stimmt. Daher lebe ich hier in dieser Gesellschaft, die Glücksspielern und Verdammten aufgeschlossen gegenübersteht.«
»Seid Ihr das denn?«, fragte sie ernst.
»Ja. Ich bin tatsächlich ein kleiner Rebell.«
Als diese Worte zu ihr durchdrangen, wandte sie sich ihm überrascht zu und blickte ihn an. Rebell ? Hatte er sich gerade als Rebell bezeichnet? Meinte er das so, wie sie dachte?
Er lächelte und neigte den Kopf. »Ja, ich denke, Ihr und ich, wir sind beide Rebellen.«
Sie blieb abrupt stehen.
Er legte die Hand auf ihren Arm und zog sie behutsam mit sich. »Geht weiter, Miss Chegwidden. Tut so, als würdet Ihr Euch angenehm unterhalten und gebt Euch etwas interessiert.«
Sie schritt an seiner Seite weiter und dachte fieberhaft nach. Sie versuchte verzweifelt, alle Puzzleteile zusammenzufügen. War Mr Lawrence ein Freund des Schnitters?
Aber nein. Er war auf grausame Weise attraktiv, und sein Charme war eher düster. Er strahlte eine so skrupellose Sinnlichkeit aus, dass es sie nervös machte, neben ihm herzugehen. Er war jedenfalls kein guter Mann.
War er dann ein Spion der de Guignards? Hatte jemand den Schnitter letzte Nacht aus ihrem Zimmer schlüpfen sehen und hatte sie gemeldet? Suchte dieser Mr Lawrence also nach Informationen, die nur sie ihm geben konnte?
Aber nein. Denn immer noch lächelnd und charmant bemerkte er: »Letzte Nacht habt Ihr eine Beule in Eurer Matratze gehabt, wenn ich recht informiert bin.«
»Woher wisst Ihr das?«, fragte sie leise und aufgebracht.
»Vielleicht bin ich ja der Schnitter.«
»Nein, das seid Ihr nicht.« Sie wusste selbst nicht, warum sie sich da so sicher sein konnte. Aber sie war es.
Raul Lawrence lachte tief und grollend. »Dann bin ich vielleicht ein Freund von ihm. Denn nur er selbst oder ein Freund kann wissen, wo genau Ihr ihn versteckt haben.«
»Das stimmt.« Hatte sie also seinen Charakter falsch eingeschätzt? Erneut dachte sie intensiv nach, denn sie musste das alles richtig verstehen. Das Leben eines Mannes – und ihr eigenes Leben – hingen davon ab. »Oder Ihr arbeitet vielleicht für Fürst Sandre und habt ihn längst gefangen genommen und gefoltert, damit er Euch diese Information preisgibt.«
»Glaubt mir, wenn Fürst Sandre den Schnitter gefasst hätte, wärt Ihr schon längst in den königlichen Kerker gewandert«, sagte Mr Lawrence tonlos.
Sie wusste bereits genug über die de Guignards, um zu wissen, dass das stimmte. Erneut schaute sie zu Fürst Sandre und Lady Fanchere hinüber. Ihr Gespräch schien sich dem Ende zu zu neigen. Bestimmt würde es Fürst Sandre nicht entgehen, dass sie mit einem Mann spazieren ging. Das würde ihm nicht gefallen, denn während er Lady Fancheres Ausführungen lauschte, beobachtete er sie mit gerunzelter Stirn.
»Könnt Ihr dem Schnitter eine Nachricht überbringen?« Sie sprach leise und drängend.
»Geht weiter, Miss Chegwidden.«
Sie zwang ihre Füße, sich vorwärtszubewegen.
»Lächelt, als ob wir alte Freunde sind, die in unbedeutenden Erinnerungen schwelgen.«
Sie setzte ein Lächeln auf.
»Und zu Eurer Frage … ja, das kann ich.«
»Fürst Sandre hat einen Plan ersonnen, um ihn bei seinem nächsten Ritt in die Falle zu locken.« Rasch erläuterte sie ihm diesen Plan.
»Vielen Dank, Miss Chegwidden. Ihr seid überaus hilfreich. Ich verspreche Euch, diese Nachricht wird ihm zu Ohren kommen. Und jetzt«, er hob die Stimme und fügte hinzu: »Mrs Andersen behauptete,
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