Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Wachraum. Er blieb stehen und wartete einen Moment, dann drückte er sanft gegen die Tür und öffnete sie einen Spalt, um in die Stube zu schauen.
Seine ihm treu ergebenen Männer lümmelten auf Bänken, lehnten auf Tischen, tranken Wein und lachten. Sie lachten !
Mit einer weit ausholenden Armbewegung schmetterte er die Tür gegen die Wand.
Alle im Raum erstarrten mitten in der Bewegung. Dann duckten sie sich.
Nur Jean-Pierre, der Verräter, der lieber schleunigst das Weite hätte suchen sollen, der sich hätte verstecken sollen, stand vor dem Feuer und starrte ihn ungläubig an, als wüsste er nicht, was ihn erwartete. Vielleicht wusste er das wirklich nicht. Vielleicht war er ein so großer Narr, dass er es tatsächlich nicht begriff.
Sandre trat in den Raum. Jeder Schritt war genau bemessen. Er nutzte sein angeborenes Talent für dramatische Auftritte, das ihn führte. »Du. Du wagst es, mir noch ins Gesicht zu sehen?« Mit einer abrupten Bewegung hob er den Arm und schlug nach Jean-Pierre.
Er überraschte seinen Cousin. Die Haut über Jean-Pierres Nase und seiner Wange brach bis hinunter zum Kinn auf. Eine einzige große Schnittwunde entstand, allein von diesem einzelnen Schlag mit der Gerte. Einen Moment lang sah er blutrünstig aus.
Sandre hob erneut seine Gerte. Die blutrünstige Miene schwand aus Jean-Pierres Gesicht, und er tat das, was er schon vorhin hätte tun müssen – er hob den Arm und versuchte, sein Gesicht zu schützen. »Euer Hoheit! Haltet ein!«
»Ich soll aufhören? Du wagst es, mir zu sagen, was ich tun soll? Nachdem du mich vor dem ganzen Land gedemütigt hast? Mich vor der Welt erniedrigt hast?«
Jean-Pierre wich zurück.
Die Wachen drängten sich in einer Ecke wie Küchenschaben.
»Ich habe dir einen Plan präsentiert, mit dem du mich vom Schnitter befreien konntest. Und was hast du mit diesem Plan gemacht? Du hast ihn ruiniert, und damit hast du seinen Ruf gestärkt.« Sandre schlug weiter auf ihn ein.
Jean-Pierre duckte sich.
»Sie reden schon darüber. Alle reden.«
»Wer?«
»Das ganze Land. Sie reden darüber, wie der mächtige, überlegene Schnitter das Seil in der Dunkelheit übersprang und es mit nur einer Handbewegung zerschnitt. Du Narr ! Hast du das Seil überhaupt geprüft, ehe ihr es aufgehängt habt? Hast du zugesehen, damit du weißt, welcher dieser Männer, welche meiner Wachen , es sabotiert hat und diesen Schnitter damit unterstützte?« Sandre hielt inne. Seine Brust hob und senkte sich, und er ließ den Arm sinken.
Einer der Wachleute wagte es tatsächlich zu sprechen . »Nein, Euer Hoheit. Wir würden Euch niemals verraten.«
»Ihr glaubt, der Schnitter sei der Geist von König Reynaldo, der gekommen ist, um an den de Guignards Rache zu nehmen. Ihr wollt alle glauben, der Schnitter sei der Vorbote für die Rückkehr des Königs. Und ihr wollt, dass die Unwissenden genau dasselbe glauben.«
»Ich werde herausfinden, wer das getan hat«, versicherte Jean-Pierre.
»Halte dich nicht damit auf.« Mit kalter, klarer Stimme verkündete Sandre: »Zwölf Streiche. Für jeden von euch.« Er schaute Jean-Pierre an. »Und du wirst die Peitsche führen. Mach es jetzt sofort. Mach es, bevor du dein Gesicht versorgst. Vielleicht wirst du dich dann zukünftig jedes Mal beim Blick in den Spiegel daran erinnern, wie hoch der Preis ist, wenn du scheiterst.« Er ging. Hinter ihm blieben Stille und Entsetzen zurück. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Hol mir den Schnitter, Jean-Pierre. Hol ihn bald, und wage es nicht, ein zweites Mal zu versagen. Der Galgen ist hoch und hungert nach Leben, und ich liebe es, wenn ein Mann den Todestanz aufführt, wenn er am Galgen hängt.«
21
Für Emma war die folgende Woche seltsam angenehm. Es war, als sei sie völlig der Zeit entrückt.
Fürst Sandre hatte die drei Frauen nach der Szene im Pavillon allein gelassen und war seither nicht zurückgekehrt. Countess Martin erzählte ihnen später, er sei in seinen Palast zurückgekehrt, um Jean-Pierre und seinen Männern Anweisungen zu geben, wie sie den Schnitter gefangen nehmen konnten.
Jeden Tag traf ein neues Kleid von Madam Mercier ein, das Emma trug. Auch wenn ein Teil von ihr sich mit der Situation unwohl fühlte, weil sie nun schon so tief in Lady Fancheres Schuld stand, gab es einen anderen Teil von ihr, dem sie bisher nie nachgegeben hatte … Nun, dieser Teil von ihr war bei jeder Anprobe eines neuen Kleids hocherfreut, sei es nun aus grünem Samt oder
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