Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
mal vergessen. Später, wenn die Aura dieses verführerischen Mannes nicht mehr ringsum in der Luft hing, konnte sie immer noch darüber nachdenken, auf was sie sich da eingelassen hatte.
Sie suchte noch weitere Bände aus dem Stapel und betrachtete die Titel. Ein französisches Lehrbuch, ein Haushaltsratgeber, die Sagen des griechischen Altertums und ein religiöses Werk. O Gott, nach welchen Kriterien sollte sie all diese unterschiedlichen Bücher bloß ordnen? Hatten sie vorher völlig willkürlich auf den Borden gestanden, oder waren sie absichtlich dermaßen durcheinandergebracht worden?
Nein, das wäre zu albern. Unwillkürlich schaute sie zur Wanduhr hinüber. Erst kurz nach zehn. Noch mindestens drei Stunden, bis er zurückkehrte.
Sie machte sich wieder an die Arbeit, doch schon wieder flog ihr Blick zur Uhr. Zehn Uhr fünfzehn. Würde sie noch leben, wenn eine Stunde vergangen war? So wie ihr Herz raste, vermutlich nicht. Denn kein gesundes Herz durfte so heftig pochen.
Entschlossen kehrte sie der Uhr den Rücken und konzentrierte sich auf ihre Arbeit, was ihr zum Glück endlich gelang. Nach einer Weile erschien Mrs. Humphries, die ihr nicht nur ein Tablett mit Tee und einem kalten Imbiss brachte, sondern sie auch höflich fragte, ob sie Hilfe brauche.
Dankbar nahm Miranda das Angebot an, woraufhin einige Männer und Frauen erschienen, die sie mit allerlei Hilfsaufgaben betraute. So schleppten sie bereits sortierte Stapel zu den Regalen oder schafften aus dem Kutscherhaus die ersten Kisten mit der geerbten Sammlung heran.
Die Zeit schien zu verfliegen, alle packten kräftig zu, und die ersten Reihen standen bereits in den Regalen. Dann war es Zeit für die Leute, an ihre eigentlichen Aufgaben im Haus zu gehen.
»Danke«, rief sie ihnen über einen Bücherstapel gebeugt nach, als sie die Bibliothek verließen.
»Obwohl ich eben erst angekommen bin, danken Sie mir schon?« Eine Samtstimme, die sie schon wieder und gegen ihren Willen einhüllte. »Dieses Wort möchte ich noch sehr oft aus Ihrem Mund hören. Bei anderen Gelegenheiten.«
5
Lieber Mr. Pitts, eine sonderbare neue Bekanntschaft veranlasst mich, mir einige Fragen über mich selbst zu stellen. Vielleicht kann ich meine Gedanken mit Ihrer Hilfe ordnen. Warum würde ein Mann Interesse vortäuschen?
Aus der Feder von Miranda Chase
Ihr Herz klopfte schneller, als der Viscount eintrat. Inzwischen hatte er sich umgekleidet, ohne seinen eleganten Schwarz-Weiß-Stil zu ändern. Die Brauen erhoben, betrachtete er die Bücher, die Miranda umgaben.
»Wie ich sehe, sind Sie unverändert sehr beschäftigt.«
Das war sie, obwohl ihre Gedanken gerade auf ganz andere Dinge als Bücher gerichtet waren: auf das Gefühl seiner Lippen auf ihrer Haut, seiner Finger in ihrem Haar. Sie verfluchte die Erinnerung an das obszöne Buch, das sie tief in ihrem Schrank verborgen hatte, aber nicht aus ihrem Kopf verbannen konnte.
Bis ihre Stimme ihr gehorchte, dauerte es eine Weile. »Vermutlich werde ich für diese Arbeit länger als eine Woche brauchen, Mylord.«
Sie senkte den Blick und versuchte trotz der flatternden Schmetterlinge in ihrem Bauch klar zu denken. Wo steckten bloß all die Dienstboten? Eben waren sie schließlich noch hier …
»Hoffentlich wird Ihr Haushaltsbudget das verkraften.«
»Ich schätze, dass ich damit zurechtkomme.«
Würde ihr das ebenfalls gelingen? »Sehr gut. Immerhin sind Sie für das Durcheinander verantwortlich.« Seufzend zeigte sie auf die Bücher, die ringsum den Boden bedeckten.
»Eines meiner zahlreichen Talente.« Er ließ sich in einen Sessel fallen und schlug die langen Beine übereinander. »Jedenfalls stehe ich Ihnen jetzt zur Verfügung. Das sollten Sie ausnutzen.« Seine Mundwinkel zuckten.
Mühsam schluckte sie bei der Vorstellung, auf welche Weise sie ihn benutzen könnte, wenn sie die Ratschläge in diesem vermaledeiten Buch befolgte. Die Bilder standen ihr nur zu deutlich vor Augen, sodass es einer zusätzlichen Herausforderung gar nicht bedurfte. Nein, sie musste sich zusammenreißen, denn schließlich ging es um ihre Ehre, ihren Ruf. Sie musste diese dumme Sehnsucht unterdrücken.
»Nicht nötig, Mylord, mit ein wenig Unterstützung vonseiten Ihres Personals komme ich durchaus klar. Und Sie müssen sich sicher um andere Pflichten kümmern.«
»Im Moment sieht es so aus, als sei ich weniger beschäftigt als meine Dienstboten. Ich habe mir den ganzen Nachmittag freigenommen.« Er breitete die Arme aus.
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