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Süß ist die Angst

Süß ist die Angst

Titel: Süß ist die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Clare
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ungehemmten Mädchen ihre Vorstellung von Selbstkontrolle und weiblichem Ideal aufzuzwingen.
    »Das ist gar nicht damenhaft, Megan.«
    »Brave Mädchen sitzen still.«
    »Jetzt hast du einen Kratzer auf deinem Schuh! Also, ehrlich, Megan, du bist wirklich unverbesserlich.«
    »Hör auf, so dumme Grimassen zu ziehen.«
    »Schau nur, wie damenhaft und brav sich Jennifer benimmt. Sie hätte sich nie ihr Kleid mit Erde beschmiert.«
    Sophie schmiegte sich an Hunts Brust und spürte seine Anspannung. Sie konnte sich nicht vorstellen, was er empfand, während er das Leben seiner Schwester in Bildern an sich vorüberziehen sah, aber sie wusste, dass sie nichts tun konnte, um die Erfahrung für ihn leichter zu machen.
    Nicht, dass diese Filme keine Wirkung auf sie gehabt hätten. Sie hatte die junge Frau über Monate hinweg immer wieder interviewt und sie bei ihren Bemühungen begleitet, sich für ihre Tochter ein neues Leben aufzubauen. In dieser Zeit hatte sich eine Beziehung zu Megan entwickelt, und Sophie hatte sie fest in ihr Herz geschlossen, und es tat weh zuzusehen, wie Mrs. Rawlings jeden Funken Spontaneität und Freude aus dem Mädchen herauspresste. Ihre Missbilligung war vielleicht subtil, aber doch stets spürbar. Und mindestens genauso quälend war es, das fröhliche junge Ding zu sehen und zu wissen, was die Zukunft für sie bereithielt: Haft, Vergewaltigung, Drogensucht.
    Sophie wusste, dass Hunt hoffte, aus diesen Bändern Informationen und Hinweise zu finden, wo sich seine Schwester aufhalten mochte, aber abgesehen von dem Namen der Kirche, in die die Rawlings gingen, und den Vornamen einiger Freundinnen, war bisher nichts zutage getreten.
    Nun sah man eine sommerliche Szene in den Bergen. Megan stand in weißer Bluse und blauem Rock mit gleichaltrigen Mädchen da, im Hintergrund standen Pinien, und sang ein Lied über die Frauen der Bibel. Jedes Mädchen hatte ein kleines Solo, und Megans schüchterner Sopran schickte dünne, aber klare Töne gen Himmel. Das Liedchen war hübsch, wenn es sich auch nicht mit Sophies feministischer Einstellung vereinbaren ließ. Die Bibel und Gleichberechtigung passten eben nicht zusammen.
    »Ich bin nicht deine Rippe«, sagte sie und stieß Hunt leicht an.
    Er lachte leise und zog sie fester an seine Seite.
    »Na, ich weiß nicht. Du scheinst recht gut dorthin zu passen.«
    Als das Lied vorbei war, die Mädchen strahlten und die Eltern klatschten, blickte Megan hoffnungsvoll in die Kamera. Da hörte man Mrs. Rawlings’ Stimme, die irgendwo in der Nähe stehen musste.
    »Ich begreife nicht, warum man Megan ein Solo gegeben hat. Sie konnte noch nie singen.«
    Megans Miene fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus.
    »Gott, ich hasse diese Frau!«, murmelte Sophie.
    Hunt schwieg, aber sein Zorn war spürbar.
    Während die anderen Mädchen zu ihren Eltern liefen, trottete Megan zur Seite und trat zu einem älteren Mann, der anscheinend ein Priester war.
    »Und? Hast du hier bei uns im Camp Spaß gehabt?«
Der Mann legte ihr einen Arm um die Schultern.
    »Oh ja, und wie.«
Megan drückte ihn voller Zuneigung.
    »Wo ist das?«
    Hunt griff nach einem Keks. Sophie hatte ihm das Geheimrezept ihrer Familie, Chocolate-Chip ohne Schokostückchen, verraten, und sie hatten sie statt Popcorn gefuttert. Sophie hatte vielleicht drei genommen, er mindestens ein Dutzend.
    »Als die Mädchen zu singen begonnen haben, konnte man ein Stück Schild am linken Bildrand erkennen, glaube ich. «
    Hunt deutete mit der Fernbedienung in Richtung Fernseher und spulte ein Stück zurück.
    Sophie setzte sich auf, beugte sich vor und wartete.
    »Da, schau mal. Pine River Christian … Das letzte Wort kann ich nicht erkennen.«
    »Ich meine, es heißt ›Girls Camp‹.« Er spulte noch einmal zurück und drückte wieder »Play«.
    »Ja, das ist es.«
    »Ich denke, wir sollten das Camp ausfindig machen und diesem Priester einen Besuch abstatten. Wie mir scheint, stand sie ihm nah. Oder hat ihm wenigstens vertraut.«
    »Dann wollen wir nur hoffen, dass er noch lebt.«
    Auf dem nächsten Video wurde deutlich, warum die Filme in diesem Schrank versteckt worden waren. Obwohl die ersten zwanzig Minuten eines jeden Films Aufnahmen von Megan zeigten, war der Rest mit etwas vollkommen anderem überspielt worden.
    Noch eine weitere Herabsetzung, ein weiterer Beweis, wie wenig sich die Rawlings aus Megan gemacht hatten, und Marc hätte am liebsten irgendetwas zertrümmert. Mr. und Mrs. Rawlings hatten eine perfekte

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