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Süß ist die Angst

Süß ist die Angst

Titel: Süß ist die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Clare
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mit einem Tiefkühlschrank gefüllt mit Qualitätsrindfleisch, Hummer und Hähnchenbrüsten. Speisezimmer. Waschküche. Viertes Bad. Wintergarten mit Terrasse, auf der sich ein Whirlpool befand!
    Nun, es war nicht die Präsidentensuite, aber man konnte sich durchaus dran gewöhnen. Und während Mr. Rawlings’ Hosen ihm an Hüften und Taille zu weit, seine Hemden und Jacketts dagegen an den Schultern zu eng waren, kam der Vorrat an Whiskey und Steaks Marc gerade recht.
    Er entdeckte einen Speicher voller Koffer, Truhen und Umzugskartons, sah sich im ausgebauten Keller mit dem Fitnessraum und dem lächerlichen fünften Bad um, blickte in jede Abstellkammer und nahm sich zuletzt die Garage vor. Er öffnete die Tür, schaltete das Licht ein und fühlte, wie sich die finstere Stimmung des Tages ein wenig erhellte.
    PS ! Viel PS !
    Sie hatten den Lexus mitgenommen, aber einen schicken schwarzen Jaguar XK dagelassen. Den Wagen hatte sich Mr. Rawlings wahrscheinlich gekauft, als sein Schwanz nicht mehr zufriedenstellend funktioniert hatte, was in Anbetracht der eiskalten Ziege, die er geheiratet hatte, vielleicht schon in den Flitterwochen geschehen war.
    Marc entdeckte die Schlüssel an einem Haken neben der Garagentür, und Sekunden später saß er auf dem Fahrersitz und umklammerte das mit Leder umwickelte Lenkrad. Es war zwar nicht sein alter, heißgeliebter Chevy, aber trotzdem nicht übel. Nicht mehr meilenweit durch den Schnee trotten. Sich nicht mehr der Gefahr von Kameras in Bussen aussetzen. Keine Geldverschwendung mehr für Taxis.
    Mr. und Mrs. Rawlings hatten ihn wieder gesellschaftsfähig gemacht, in gewisser Weise jedenfalls. Hier hatte er alles, was er brauchte: Nahrungsmittel, ein Dach über dem Kopf, Transportmittel, Satelliten-Fernsehen, Internet. Niemand würde auf die Idee kommen, in dieser Gegend nach ihm zu fahnden. Er würde von hier aus in einem weiteren Radius nach Megan suchen können, und wenn er nicht unterwegs war, würde er Kartons durchwühlen.
    Er hoffte, irgendwo in diesem Haus Erinnerungen an Megans Kindheit zu finden, Hinweise auf das Leben, das sie geführt hatte, vielleicht Tagebücher, Fotos und Namen von Freunden, von denen ihre Adoptiveltern nichts gewusst oder die sie vergessen hatten. Wenn er Glück hatte, fand er sogar den Ermittlungsbericht.
    Er wusste, er hätte wieder hineingehen und mit der Suche beginnen sollen, aber irgendwie wollte es ihm nicht gelingen, dem Wagen den Rücken zu kehren. Und bevor er sich bewusst wurde, was er tat, setzte er schon rückwärts aus der Garage, fuhr die Auffahrt hinab, bog auf die Straße ein und fuhr los.
    Er fuhr, ohne zu wissen, wohin und warum, mit offenem Fenster, den kalten Wind im Gesicht. Die Straßen zogen in einem Schleier aus Neon und Halogen vorbei, und nachher war er sich nicht mehr sicher, ob er wirklich an jeder roten Ampel gehalten hatte. Und dann gab es keine roten Ampeln mehr, sondern nur noch den offenen Highway. Er trat aufs Gas und ließ das glitzernde Denver hinter sich.
    Was ist denn los mit dir?
    Doch die Frage ließ ihn nur noch schneller fahren, als gelte es, der Antwort zu entkommen. Er trat das Gaspedal durch, spürte, wie der Jaguar anzog, und genoss den Rausch der Geschwindigkeit, der ihn betäubte. Erst als er vier Stunden später den Interstate Highway verließ, begriff er, wohin er gefahren war.
    Er befand sich nördlich vom Colorado Monument.
    Er fuhr die Serpentinen aufwärts und wusste sehr gut, wohin die Straße ihn bringen würde. Und dann sah er die Stelle, an der er vor zwölf Jahren den Chevy geparkt hatte. Er fuhr rechts ran, stellte den Motor ab und stieg aus.
    Getrieben von etwas, das er nicht verstand, stieg er über die Leitplanke und ging bis zu der Stelle, an der er damals die Decke ausgebreitet hatte. Hier war es. Nein, hier. Es war Ende des Frühlings gewesen und schon warm. Sophie hatte sich hingelegt und ihn alles tun lassen, was er mit ihrem wunderschönen, jungfräulichen Körper hatte tun wollen. Es hatte sich angefühlt, als könnte dieser Moment die Welt verändern, als könnte er
ihn
verändern. Alles, alles war möglich gewesen.
    Er sah sich um, nahm die Einzelheiten wahr – die dunklen Schatten der aufragenden Gipfel, das tiefe Schwarz der Canyons, das Funkeln der Sterne, die unglaubliche gewaltige Stille. Sein Leben hatte sich unwiederbringlich verändert, aber dieser Ort hier war genau wie damals.
    Einen Augenblick lang stand er nur da und fragte sich, was zum Geier er hier

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