weißes T-Shirt und ihr braunes, drei Nummern zu großes Waverly-Sweaty an. Jenny hatte den Fuß auf die Schreibtischplatte gestützt und beugte sich über ihr Bein, um die Achillessehne zu dehnen. In ihren Sportshorts, dem ausgewaschenen Berkeley-Kapuzenshirt und mit dem hochsitzenden Pferdeschwanz sah sie so niedlich und süß aus. Und höchstens so bedrohlich wie Vanillejoghurt.
»Wollen wir zusammen zum Sportplatz gehen?«, fragte Callie zögernd. Obwohl sie jetzt schon über einen Monat im selben Zimmer wohnten, waren sie noch nie zusammen zum Training gegangen. Callie war einfach zu... angepisst gewesen. Aber jetzt fühlte sie sich – ja, wie eigentlich? Großmütig vielleicht? Sie konnte es sich leisten, etwas netter zu ihrer jüngeren Mitbewohnerin zu sein.
Immerhin würde einer von ihnen das Herz gebrochen werden – und Callie war sich ziemlich sicher, dass es nicht ihres war.
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Dienstag, 8. Oktober, 16:13 Uhr
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Dein Glückstag
Ferro, hab noch ein paar Werbefässchen von einer kleinen Privatbrauerei, die dichtmacht. Würde sie dir sehr günstig überlassen.
Eile geboten – das Angebot ist begrenzt.
BD
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Hey Dude, klingt verlockend, kann aber nicht schon wieder Fässchen auf dem Campus bunkern. Hab letztes Mal den Bogen etwas überspannt...
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Was ist mit außerhalb des Campus? Meine Oma hat’ne riesige Scheune am Stadtrand, Miete wäre minimal. Heuballen, Strohhalme, der Duft von Laub – und vor allem: günstiges Bier. Was meinst du?
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Ich komme in Versuchung …
6
Ein Waverly-Schüler sollte zur Stelle sein, wenn ein Mitschüler Hilfe braucht – selbst wenn er ihn nicht ausstehen kann
Easy humpelte nach zwei Stunden Querfeldeinritt mit wunden, müden Beinen durch den Wald. Immer wenn ihn was auf der Seele drückte, ritt er auf Credo aus. Die großen braunen Augen seines Pferdes, die ihn mit solch grenzenlosem Vertrauen anblickten, gaben ihm das Gefühl, doch kein total beschissener Typ zu sein. Denn so war er sich in den letzten Wochen vorgekommen – beschissen. Jedes Mal wenn er Callie oder Jenny vor sich sah, dachte er unglücklich: Ich bin ein Arschloch . Und das kam praktisch ständig vor. Credo war es jedoch egal, ob er ein Arschloch war. Wenn Easy in den Stall kam, stampfte sein Pferd fröhlich mit den Hufen auf, und hier wurde er nie mit irgendwelchen Fragen bombardiert, wo er gewesen war oder mit wem er zusammen gewesen war oder was er gerade dachte.
Easy war auf dem kürzesten Weg zu den Stallungen gegangen, nachdem er mit Jenny geredet hatte. Nicht dass er viel gesagt hatte – ihm fehlten die passenden Worte. Ihm fehlten sogar die unpassenden Worte. Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Da war ein langer, anstrengender Ritt genau das Richtige, ein bisschen Klarheit in seinen verwirrten Kopf zu bringen.
Das Problem war nur: Das Heilmittel Ausritt hatte diesmal nicht gewirkt. Statt im Speisesaal zu essen, wo ihn nur achtzig Leute zum millionsten Mal fragen würden, ob er nun mit Jenny oder mit Callie zusammen war, hatte Easy beschlossen, lieber zu dem felsigen Gelände im Wald zu wandern, das neben dem Pfad zum Bootshaus lag, ganz in der Nähe seines geheimen Plätzchens, an dem er oft malte. Easy seufzte, als er sich bei den kalten, dunklen Felsen niederließ. Er zog eine Zigarre aus der Tasche. Er hatte zwei echte Cubas aus dem schwarzen Lederetui seines Vaters gemopst, als der letztes Wochenende im Le Petit Coq mal kurz aufs Klo verschwunden war. Jetzt war der perfekte Moment, sich eine anzuzünden und sich zu konzentrieren.
Vielleicht sollte er eine Liste machen. So eine mit Pro und Contra? Tat man das nicht, wenn man keinen Plan hatte, wie man sich zwischen zwei