Sueß, naiv und intrigant
Schloss fiel, dann stürzte sie zur Besenkammer.
»Schnell! Die Pardee zieht sich gerade an, das ist jetzt deine Chance!«
»Bist du sicher, dass die Luft rein ist?«, fragte Julian nervös und spähte in den Gang hinaus. »Ich hab mich schon irgendwie an die Kammer hier gewöhnt.«
Jenny gluckste, packte ihn am Arm und zerrte ihn den Gang entlang. Ihr Puls raste und es war wie früher beim Versteckenspielen. »Kein Wort jetzt!«, flüsterte sie und verlangsamte den Schritt vor der Tür der Pardees. Sie schlichen vorbei und machten sich zur Hintertür auf. Jenny hielt die Luft an, bis die Tür offen war und Julian auf dem Rasen draußen stand.
»Na also«, flüsterte sie. »Jetzt sieh mal zu, dass du Land gewinnst!« Sie versuchte, streng zu klingen, aber das Glucksen in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
Julian wischte sich in einer übertriebenen Geste mit dem Handrücken über die Stirn. »Mein Schutzengel! Du hast mir das Leben gerettet!«
»Prima. Du schuldest mir was.« Jenny scheuchte ihn mit einer Handbewegung fort. »Ich halt nach deinem Feuerzeug Ausschau, Padgett.«
Julian sah sie mit einem seltsamen Lächeln an, das sie nicht ganz deuten konnte. »Bis bald«, wisperte er. Dann verschwand er in der mondlosen Nacht.
Jenny blieb allein unter der Tür stehen, sog tief die Herbstluft ein und brach in Gelächter aus. Ihre Beziehung mit Easy pfiff vielleicht auf dem letzten Loch, aber auf einmal schien es, als ob auch andere Jungs das Waverly-Leben ganz lustig machen könnten.
Eulen.Net
SMS-Eingang
JulianMcCafferty:
he, wo warst du?
TinsleyCarmichael:
ach herrje! bist du draußen? hab dich völlig vergessen.
JulianMcCafferty:
ist mir auch aufgefallen.
TinsleyCarmichael:
tschuldige – mir ist was dazwischengekommen. ich machs wieder gut.
JulianMcCafferty:
ach ja? wie?
TinsleyCarmichael:
treff dich morgen. dann setzen wir fort, was wir angefangen haben.
JulianMcCafferty:
überleg schon mal, wie du mich versöhnen kannst.
TinsleyCarmichael:
grübel...
10
Private Eulen-Gespräche sollten privat bleiben. P-R-I-V-A-T
Zu nachtschlafender Zeit am nächsten Morgen stand Callie vor ihrem Klassenzimmer. Latein fing gleich an. Sie zwang sich, nicht stehend in ihren kniehohen Chloé-Stiefeln einzuschlafen. Montags und mittwochs aus dem Bett zu kommen, schaffte sie nur, wenn sie sich am Abend vorher ein nagelneues Outfit zurechtlegte. Heute trug sie einen Kaschmir-Wickelpullover von Isli in dem zartesten Rosa, das man sich vorstellen konnte, dazu einen brandneuen schwarzen Theory-Rock mit Gehfalte vorne, unter dem eine gehäkelte schwarze Strumpfhose neckisch hervorspitzte, bevor der Rest ihrer Beine in den schwarzen ledernen Stiefeln verschwand. Aber weder ihr sexy Outfit noch der Kick von dem geschwätzigen Frauentreffen gestern Abend konnten sie irgendwie in Schwung bringen – Latein war ja so unerträglich langweilig. Und durch Mr Gaston, der jeden Mittwoch einen seiner Schüler fünf Zeilen aus der Aeneis auswendig aufsagen ließ, wurde die tote Sprache auch nicht lebendiger. Callie atmete fünfmal tief durch.
»Können wir eine Sekunde reden?« Easy stand plötzlich vor ihr, in seinem armeegrün-gold gestreiften Wollpullover – dem mit den Löchern an den Ellbogen. Callie hasste es, dass sie jedes Stück seiner Garderobe in- und auswendig kannte. Und dass sie seinen Stundenplan im Kopf hatte. Dass sie wusste, wann sie todsicher auf ihn treffen würde, wann möglicherweise und wann nicht. Jetzt jedenfalls, so viel stand fest, hatte er drüben in Webster Hall zu sein. Was also machte er hier ?
»Was gibt’s?«, fragte Callie möglichst desinteressiert, aber sie konnte auch nichts dafür: Kaum bekam sie ihn zu Gesicht, fing sie etwas zu zittern an. Mist. Sie versuchte, daran zu denken, dass Mr Gaston sie gleich aufrufen würde, um Vergil vorzutragen, und das holte sie etwas auf den Boden zurück – verschlechterte aber auch gleichzeitig ihre Laune. »Ich hab doch gesagt, wir reden vor Bio !«
Easy legte ihr die Hand auf den Arm und zog sie in eine Ecke des Ganges, etwas weg von den hereinströmenden Schülerscharen, die sie mit vielsagenden Blicken anstierten. »Bis dahin konnte ich nicht warten. Hör mal, ich...« Er brach ab. Er sah miserabel aus, als habe er die Nacht kein Auge zugetan. Was aber vermutlich nicht bedeutete, dass er wach gelegen und an sie gedacht hatte. Wahrscheinlich hatte er nur
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