Sueß, naiv und intrigant
gegeigt und das letzte Wort behalten hatte. Allerdings … Schön hatten sie schon geklungen, jene Worte – jene drei umwerfenden Worte – aus seinem Mund.
11
Die Höflichkeit gebietet es einer Waverly-Eule, den Inhalt eines CARE-Pakets mit ihren Eulen-Freunden zu teilen
Um die Mittagszeit blubberte der Postraum in Maxwell Hall nur so über vor Leben. Waverly-Eulen strömten aus allen Richtungen herbei, um vor dem Mittagessen rasch ihre Briefkästen zu leeren, in der Hoffnung, Liebesbriefe, eine neue Ausgabe von W oder – besser als alles andere – eine Paketbenachrichtigung vorzufinden. Tinsley musste sich auf die Zehen stellen, um in Box 270 in der obersten Reihe zu gucken. Man hätte eigentlich meinen können, dass die Verwaltung genug Grips besaß, die Briefkästen ganz oben an die Basketballriesen zu vergeben und die unten an normalwüchsige Waverly-Schüler. Na ja, geschenkt. Normalerweise machte es Tinsley nichts aus, sich zu strecken – sie wusste, dass sie sexy aussah, wenn sie sich auf die Zehen stellte und ihr Pulli ein Stückchen Haut freigab. Nur trug sie heute ihre roten Samtballerinas von Miu Miu, die flacher als flach waren, und ein knappes schwarzes Cord-Hängerchen von Free People. Bei dem Kleid konnte man garantiert ihren Po sehen, wenn sie sich reckte. Tinsley geizte zwar wahrlich nicht mit ihren Reizen, aber dem gesamten Postraum wollte sie keine Gratis-Vorstellung geben. Genervt sprang sie hoch, um in den Briefschlitz zu spähen, und die schwere lederne Umhängetasche von Juicy schlug ihr dabei unangenehm an die Hüfte.
»Klappt’s nicht?«, flötete eine Stimme hinter ihr. »Ich wette, du wartest nur auf einen gewissen großen... gut aussehenden … jungen Typen, der dir zu Hilfe eilt.«
Tinsley verdrehte die Augen, als sie Heath Ferros Stimme erkannte. Mit einem falschen Lächeln auf den Lippen drehte sie sich zu ihm um. Er trug ein blassgelbes Lacoste-Polohemd, das brandneu wirkte. Den Kragen hatte er hochgeschlagen, und irgendwie sah er aus, als würde er gleich zum Golfen entschwinden.
»Wärst du so freundlich?«, fragte sie mit zuckersüßer Stimme, wild entschlossen, ihre Verärgerung nicht durchblicken zu lassen. Halluzinierte sie oder hatte das eben eine Anspielung auf Julian sein sollen? »Du könntest die Post aus meinem Kasten fischen, sofern das von einem Superhelden nicht zu viel verlangt ist.«
»Einer hilflosen jungen Dame könnte ich doch niemals einen Wunsch abschlagen«, antwortete Heath galant und griff mühelos in den Kasten. »Aber du musst versprechen zu teilen.« Er wedelte mit einer der begehrten gelben Karten über ihrem Kopf herum, auf denen der Vermerk PÄCKCHEN ZU GROSS FÜR POSTKASTEN stand.
Sie feixte und stemmte die Hand in die Hüfte, keineswegs bereit, auf Heath Ferros Mätzchen einzugehen. »Ach, ich bin sicher, es ist nichts, was für dich von Interesse sein könnte. Wahrscheinlich nur die neuen La-Perla-Höschen, die ich bestellt habe.«
»Da will ich auf jeden Fall welche abhaben.« Heath jaulte auf, als sie ihm den Abholschein entriss. »Moment mal, ich dachte, Mädchen sagen nicht ›Höschen‹.«
»In Gegenwart von Jungs schon.« Tinsley schlängelte sich schnurstracks zum Abholschalter durch. Heath folgte ihr wie ein junger Welpe. Hatte die Nervensäge nichts Besseres vor? »Zwei-sieben-null«, sagte sie und reichte dem Mädchen hinter dem Schalter die Karte. Umgehend bekam sie ein schuhschachtelgroßes Päckchen ausgehändigt.
»Adea?« Heath beugte sich über ihre Schulter und spickte.
»Woher weißt du -? Oh!« Tinsley stellte fest, dass ihre Mutter neben ihrem Rufnamen auch ihren zweiten Vornamen auf den Adressaufkleber geschrieben hatte: Tinsley Adea Carmichael. »So hieß meine dänische Großmutter«, murmelte sie, während ihr Blick über die übrige Anschrift glitt. In der eleganten, nach links geneigten Schreibschrift ihrer Mutter war sie an Box 207 adressiert. Na bravo. Sie war jetzt das dritte Jahr in Waverly und ihre Mutter kannte die korrekte Anschrift noch immer nicht. Blieb nur zu hoffen, dass wenigstens was Anständiges in dem Päckchen war. Als Absender war das Penthouse der Carmichaels am Gramercy Park angegeben. Hm. Sie hatte ihre Eltern in Amsterdam vermutet, wo ihr Vater einen Geschäftsdeal abschließen wollte, aber natürlich hatten die beiden sie mal wieder nicht über ihre Pläne auf dem Laufenden gehalten.
»Ich spendier dir einen Mokkaccino, wenn du mir zeigst, was in der Schachtel ist«, feilschte Heath,
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