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Suess und ehrenvoll

Suess und ehrenvoll

Titel: Suess und ehrenvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avi Primor
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Bauernhof mit zerschossenen Fenstern, hörte sich Ludwigs Anliegen an und sagte, er werde ihm später Bescheid geben. Er müsse jetzt seinen Regimentsstab empfangen.
    Als Ludwig sich anschickte, draußen zu warten, hielt Gutmann ihn zurück: »Sie können hierbleiben, es wird nicht lange dauern.« Und schon trat der Regimentskommandeur, Oberst Emmerich von Godin, herein, begleitet von einem der Bataillonsführer, Oberstleutnant Wilhelm von Lüneschloss. Ihnen folgten etwa zwanzig weitere Offiziere.
    »Gutmann«, wandte sich Godin an den Regimentsadjutanten, »Sie haben uns die Namen von sechzig Soldaten vorgelegt, die Sie für das Eiserne Kreuz Erster Klasse empfehlen. Diese Liste wurde von den direkten militärischen Vorgesetzten gebilligt, mit einer Ausnahme. Wie war doch gleich der Name? Ah, hier steht es: der Meldegänger Adolf Hitler. Womit hat er die Auszeichnung verdient? Wenn ich seinen Kompanieführer recht verstanden habe, hat dieser Gefreite nie in der ersten Frontlinie gekämpft. Anscheinend hat er im ganzen Krieg keinen Schuss abgegeben. Er hat auch keine Heldentaten oder besonderen Verdienste im Kampf vorzuweisen. Warum empfehlen Sie ihn für den Orden?«
    »Herr Oberst«, sagte Gutmann, »der Gefreite Hitler hat seit Kriegsbeginn gedient und wurde schon zweimal verwundet. Beim zweiten Mal erlitt er eine Augenverletzung durch Senfgas.«
    »Richtig«, warf Lüneschloss ein, »aber in beiden Fällen wurde er nicht an der Front, sondern beim Einsatz in der Etappe verwundet, also nicht im Gefecht. Der Orden wird für Tapferkeit vor dem Feind verliehen, er ist keine Entschädigung!«
    »Herr Oberst«, entgegnete Gutmann, »ich habe bei meiner Empfehlung die kürzliche Anweisung Seiner Majestät des Kaisers berücksichtigt, nicht nur Offizieren, sondern auch einfachen Soldaten das Eiserne Kreuz zu verleihen.«
    »Das ist doch bereits geschehen«, mischte Lüneschloss sich wieder ein. »Sie haben ja schon dafür gesorgt, dass der Bursche das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse bekommt. Auch damals war mir nicht klar, warum, doch ich habe Ihre Empfehlung unterschrieben, weil ich keine Zeit hatte, der Sache nachzugehen. Aber warum wollen Sie ihn jetzt für das Eiserne Kreuz Erster Klasse vorschlagen? Nur weil er in der Zwischenzeit eine Gasverletzung erlitten hat? Und dazu noch in der Etappe?«
    »Ich bitte um Entschuldigung, Herr Oberstleutnant. Der Bursche, wie Sie ihn zu nennen belieben, ist seit vier Jahren in der Armee. Der arme Mensch ist sehr introvertiert und hat keine Freunde. Er braucht dringend einen Ansporn und hat regelrecht darum gefleht, für den Orden empfohlen zu werden.«
    »Genug«, erklärte von Godin. »Wir vergeuden unsere Zeit mit Bagatellen. Gutmann, wenn Ihnen dieser Gefreite so wichtig ist, formulieren Sie ein Empfehlungsschreiben. Sie werden allerdings Ihre Fantasie anstrengen müssen, um die Verleihung des Eisernen Kreuzes Erster Klasse zu begründen. Ich werde die Empfehlung unterschreiben. Was ist der nächste Punkt auf der Tagesordnung?«
    Der Regimentsstab erörterte nun die Befestigung der neuen Stellungen. Was Ludwig bereits vermutet hatte, wurde zur Gewissheit: Die deutsche Armee plante keine Gegenangriffe mehr. Es galt nur noch, dem Ansturm der Alliierten zu trotzen.
    Nach der Besprechung setzte sich Leutnant Gutmann an einen kleinen Klapptisch und skizzierte detaillierte Befehle für seinen Freund Schumacher. Er bot Ludwig ein Glas Wein anund sorgte dafür, dass man ihm einen Imbiss für den Weg mitgab. Ludwig, der lange keinen Wein mehr getrunken hatte, sprang beschwingt auf sein Fahrrad.
    Zwei Tage später erfuhr er, dass sein guter Freund Johann, der in einem anderen Bataillon gekämpft hatte, verwundet worden war und in einem Feldlazarett etwa drei Kilometer hinter der Frontlinie lag. Zu Ludwigs Überraschung gab ihm der so hart wirkende Hauptmann Schumacher ein paar Stunden Urlaub, um seinen Freund zu besuchen. Vielleicht lag das an der andauernden Hochstimmung, in die Schumacher sein glänzender Sieg über die Amerikaner versetzt hatte.
    Ludwig wusste nicht, was mit Johann passiert war, und freute sich auf das Wiedersehen mit seinem Freund, den er seit ihrer gemeinsamen Rückkehr von der Ostfront nicht mehr gesehen hatte. Angespannt musterte er die dicht an dicht auf schmalen Feldbetten in dem großen Saal liegenden Soldaten. Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte Johann nicht finden. Eine Krankenschwester, die er schließlich um Hilfe bat, blätterte in ihren Listen

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