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Suess und ehrenvoll

Suess und ehrenvoll

Titel: Suess und ehrenvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avi Primor
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bautesich vor ihm auf und schrie mit funkelnden Augen: »Wenn ich keine Angst um mein Pferd habe, das mit einem Trottel wie dir ein Hindernis nehmen muss, warum hast du dann Angst um dein elendes Leben?«
    ›Nach dieser harten Schule stehen die Chancen gewiss nicht schlecht, dass ich zur Kavallerie eingezogen werde‹, dachte Ludwig. ›Andererseits war die Kavallerie eine aristokratische Waffengattung mit einer glorreichen Tradition. Nahm man dort auch einfache Rekruten auf, schlichte Bürger, die nur in Kriegszeiten zu den Waffen gerufen wurden? Hatte man als Jude überhaupt eine Chance?‹ Ludwig wusste, dass er sich keinen Illusionen hingeben durfte. Je länger er darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher erschien es ihm, dass ein Jude namens Kronheim in die Reihen der Kavallerie aufrücken dürfte.
    Endlich traf der ersehnte Brief mit dem Gestellungsbefehl ein. Von einem Moment zum anderen schlug Ludwigs Stimmung um. Alle Grübeleien, ob froher oder trüber Natur, alle Zweifel waren wie weggeblasen. Was ihn erfüllte, war nur noch Neugier und Ungeduld. In der Nacht konnte er lange nicht einschlafen, und am Morgen wachte er viel zu früh auf. Die Bitte seiner Mutter, ihn zur Kaserne begleiten zu dürfen (›was soll das‹, dachte er, ›ich bin doch kein Kind mehr, das man am ersten Schultag in die Schule bringt‹), lehnte er ab. Den Abschied von seinem Vater, der ihn schulterklopfend entließ, nahm er kaum wahr. Sogar von Karoline hatte er sich am Vorabend nur kurz verabschiedet. Er wollte keine herzzerreißenden Szenen, weder von ihrer noch von seiner Seite. In Gedanken war er schon weit fort von zu Hause. Ohne das üppige Frühstück anzurühren, das seine Mutter ihm auftischte, machte er sich auf den Weg und eilte mit großen Schritten zur Straßenbahn.
    In der Kaserne traf Ludwig mit jungen Rekruten zusammen, in deren Gesellschaft er sich zunächst einmal wohlfühlte: Abiturienten und Studenten. Es herrschte dort eine aufgeheiztepatriotische Atmosphäre, die im einfachen Volk kaum zu finden war. ›Eine Euphorie im wahrsten Sinne des Wortes‹, dachte Ludwig. Viele deklamierten patriotische Gedichte und brannten vor Ungeduld, an die Front zu kommen. Einige behaupteten sogar, es sei ihr größter Wunsch, fürs Vaterland zu sterben. Nicht mehr und nicht weniger! Ludwig distanzierte sich insgeheim von solchen übertriebenen Erklärungen. Fürs Vaterland zu sterben – dazu musste auch er bereit sein, aber als Ziel schien ihm dies viel zu pathetisch. Doch die allgemeine Begeisterung gefiel ihm sehr.
    Seine Hochstimmung sollte nicht lange anhalten. Schon am zweiten Tag lernte Ludwig die verschlungenen Pfade der Militärbürokratie kennen. Vor jeder Dienststelle standen lange Schlangen. Endloses Warten auf eine Unterschrift oder einen Stempel, auf ärztliche Untersuchungen, auf die Zuteilung der Grundausstattung. Am Ende dieses langen, frustrierenden Tages ging Ludwig nachdenklich zu seiner Unterkunft. Er war so in Gedanken versunken, dass er vom Weg abwich und in einen Bezirk geriet, in dem Rekruten nicht erwünscht waren. Plötzlich versperrte ihm ein Reiter den Weg. Ludwig blickte auf. Der Uniformierte hoch zu Ross brüllte ihn ohne Vorwarnung an: »Was machen Sie hier?«
    Ludwig stammelte erschrocken: »Verzeihung, Herr Offizier.«
    »Das heißt nicht ›Herr Offizier‹!«, schrie der Reiter noch lauter. »Sehen Sie nicht, dass Sie vor einem Oberleutnant stehen, Sie Vollidiot? Und antworten Sie mir nicht! Einen Oberleutnant spricht man nicht an!«
    Ludwig blieb in strammer Haltung stehen und drückte den Rücken durch, um möglichst militärisch auszusehen. Von dem gebrüllten Wortschwall verstand er kaum ein Wort. Als der erlösende Befehl »Wegtreten!« kam, lockerte Ludwig seine verspannten Rückenmuskeln und machte sich im Laufschritt davon.
    Die Grundausbildung dauerte keine zwei Monate. Nicht einmal zwei Wochen. Die schweren Verluste der ersten Kriegsmonate zwangen die Armeeführung, die gelichteten Reihen so rasch wie möglich wieder zu füllen. Schon eine Woche nach seiner Ankunft in der Kaserne wurde Ludwig in die Schreibstube bestellt. Dort erwartete ihn eine Nachricht, auf die er kaum noch zu hoffen gewagt hatte: Er war den Ulanen zugeteilt worden. Den Rest der Grundausbildung würde er bei der Kavallerie absolvieren. Ludwig war vor Freude wie gelähmt. Er rührte sich nicht vom Fleck, als fürchte er, aus einem Traum aufzuwachen.
    »Was haben Sie denn?«, fragte der Feldwebel. »Das hatten

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