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Suess und ehrenvoll

Suess und ehrenvoll

Titel: Suess und ehrenvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avi Primor
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abgesehen vom Thema Essen und Verdauung, nur mühsam eine gemeinsame Sprache.
    Der erste Bauernsohn, den Ludwig kennenlernte, fiel ihm dadurch auf, dass er mit heftigen Handbewegungen etwas zu verscheuchen suchte, als wolle er ein lästiges Insekt abwehren. »Was hast du?«, fragte ihn Ludwig, und der Junge entgegnete: »Stören dich denn die Fliegen nicht, die uns dauernd in den Ohren summen?« Ludwig verbiss sich das Lachen, um den armen Jungen nicht zu beleidigen. »Das Summen«, belehrte er ihn mit ernstem Gesicht, »kommt nicht von den Fliegen. Das sind die Kugeln, die uns um den Kopf zischen.« Der Junge sah ihn zweifelnd an, als sei er sich nicht sicher, ob Ludwig ihn zum Narren halten wollte.
    Ludwig und seine Kameraden lernten bald allerlei Tricks und Methoden, die zum Alltag des Grabenkriegs gehörten. Da ständig geraucht wurde, übten sie sich darin, Zigaretten zu drehen und auch bei Regen und Sturm anzuzünden oder mit feuchtem Holz ein Feuer in Gang zu bringen. Ja, Regen, Sturm und feuchtes Holz – die Nässe war zu allen Jahreszeiten eines der Hauptprobleme der Soldaten. In den Schützengräben herrschten weitaus niedrigere Temperaturen als in der Stadt oder im Dorf. Selbst in der primitivsten Hütte war es nicht so kalt wie in den Gräben. Hinzu kamen die Nässe und der Schlamm. Wenn der Graben sich mit Wasser füllte, bildeten sich Schlammlöcher. Ludwig merkte rasch, dass er nicht bewegungslos im Schlamm hocken durfte, weil er dann Gefahr lief, nicht wieder hochzukommen. Auch außerhalb des Grabens musste man in der Nacht, wenn das Gelände nur sporadisch von Artilleriefeuer erleuchtet wurde, immer damit rechnen, in ein Schlammloch zu fallen. Ein solcher Sturz konnte leicht ein fatales Ende nehmen.
    Die Stiefel sogen sich bei Regen mit Wasser voll, die Füße schwammen, und wenn man Pech hatte, blieb der Stiefel im Schlamm stecken und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Dann blieb einem nichts anderes übrig, als barfuß durch den Matsch zu waten. An Ersatz aus der Kleiderkammer war nicht zu denken. Wenn man Glück hatte, bekam man von zu Hause ein Paar neue Stiefel, doch das konnte Wochen dauern.
    Bei trockenem Wetter setzte der Schlamm sich in den Kleidern fest und wurde steinhart. Die Stiefel durfte Ludwig normalerweise nur alle zwei Wochen ausziehen und die lehmverkrustete Uniform noch seltener. Das Koppel und den Patronengurt legte er fast nie ab, wenn er sich in der ersten Frontlinie befand. Die schlammsteife, von Läusen und Flöhen wimmelnde Uniform, die seine ständig juckende Haut aufscheuerte, kam Ludwig wie ein Folterkorsett vor. ›Der Mann in der eisernen Maske‹, dachte er so manches Mal.

    W ir leben wie Schweine – liegen im Schlamm, fressen alles, was uns unterkommt, schnarchen und grunzen im Schlaf und im Wachen. Der Vergleich mit Schweinen liegt schon deshalb nahe, weil manchmal echte Schweine zwischen den Frontlinien auftauchen. Sie sind aus zerstörten Bauernhöfen geflohen und dermaßen verwildert, dass sie Leichen auffressen, die nicht geborgen werden können. Vor ein paar Tagen kam so ein Schwein auf mich zu, als ich Wache hielt. Es wühlte im Schlamm und legte die Leiche eines unserer gefallenen Kameraden bloß. Wenn man so etwas Grausiges mit eigenen Augen ansehen muss, kann man sich nicht beherrschen. Obwohl gerade Ruhe herrschte und zu befürchten war, dass ein Schuss die Front wieder aufheizen würde, habe ich auf das Schwein geschossen. Am Hinterteil getroffen, rannte es davon, einen Arm des toten Soldaten im Maul.
    Als Ludwig mit seinem Brief so weit gediehen war, hielt er inne. Er überlas das Geschriebene und dachte: ›Arme Karoline! Wie wird ihr zumute sein, wenn sie solche Geschichten liest? Doch auch wenn ich ihr nichts vormachen will, so möchte ich doch versuchen, eine etwas humorvollere Note hineinzubringen.‹

    Glaube nur nicht, dass wir nicht manchmal auch herzhaft lachen, und zwar nicht nur über die albernen unanständigen Witze, die bei jeder Gelegenheit erzählt werden. Vor ein paar Tagen brachten die Sanitäter einen Verwundeten, dessen Zustand höchst bedenklich war. Trotzdem bewahrte der Ärmste die Ruhe und bewegte nur unablässig die Lippen. Als der Feldarzt sich über ihn beugte, um ihn zu untersuchen, flüsterte der Soldat: Doktor, habe ich eine Chance zu überleben? Ich denke schon, erwiderte der Arzt zögernd, doch ich fürchte, dass es mit der Liebe vorbei ist, weil sie dir die Hoden weggeschossen haben. Ach, das ist nicht mehr so wichtig,

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