Suess und ehrenvoll
fiel ihm die Szene aus »Rot und Schwarz« ein, wo der junge Priesteranwärter Julien Sorel die schöne junge Frau des Bürgermeisters verführen will, seine Hand aus Angst aber immer wieder zurückzieht. ›Soll ich es wagen‹, fragte er sich, ›Madame Poiriers Hand zu ergreifen?‹ Und obwohl er keine schlimmen Folgen befürchten musste, siegte auch diesmal die Schüchternheit. Doch Madame Poirier, die von Anfang an die Initiative ergriffen hatte, erlöste ihn auch diesmal von seinen Zweifeln.
Während er flüchtige Blicke auf die Fotografien warf, die sie mit fliegenden Händen aufblätterte, merkte er plötzlich, dass ihre Füße sich unter dem Tisch an seinen Hosenschlitz herantasteten. Schon streichelte sie sein halb erigiertes Geschlecht durch den Stoff hindurch mit ihren nackten, blutrot lackierten Zehen. Der Atem stockte ihm, seine Gedanken wurden wirr. Eine Welle von Lust und Angst überschwemmte ihn. Doch Madame Poiriers geschickte Zehen waren schon dabei, seine Hosenknöpfe zu öffnen und sein Glied zu bearbeiten, bis es zu voller Größe erwuchs. Dann brach sie das Spiel abrupt ab, griff nach seiner Hand und sagte nur: »Komm!« Sie zog ihn ins Schlafzimmer, stellte sich vor ihn hin und begann, ihn auszuziehen.
Er beugte sich herunter, um sie zu küssen, doch sie wehrte ab: »Tu nichts, lass mich nur machen.« Als er nackt war, schob sie ihn zum Bett und legte ihn auf den Rücken. Er begriff, dass ernur warten durfte. Während Madame Poirier sich auszog, betrachtete sie sein Geschlecht. Dann setzte sie sich zu seinen Füßen, umfasste es mit beiden Händen und murmelte: »So sieht also ein beschnittenes Glied aus! Interessant … Delikater als alles, was ich je gesehen habe.« Sie nahm die Eichel behutsam in den Mund und fing an, sie zu lecken.
›Das also interessiert sie am Judentum‹, dachte Louis. ›Nicht der junge Rabbiner mit seinen gelehrten Erklärungen, sondern das, was er in der Hose hat.‹ Doch bei René Petit war sie wohl nicht so weit vorgedrungen, lächelte er insgeheim und gab sich wieder dem Genuss hin, den ihm die rührige Zunge verschaffte. Ab und zu schlug er die Augen auf, um einen Blick auf den üppigen Leib und Madame Poiriers schwere Brust zu erhaschen, aber als er sie streicheln wollte, stieß sie ihn zurück.
Nein, sagte sie, er müsse völlig passiv bleiben. Ihm wurde klar, dass sie nicht zulassen würde, dass er in sie eindrang, und so wehrte er sich nicht, als sie ihn zum Höhepunkt brachte, und ergoss sich in ihren Mund.
Erschrocken riss er die Augen auf. Wie konnte er so etwas tun? Warum hatte er sich nicht rechtzeitig zurückgezogen? Doch seine Scham und Reue währten nicht lange. Auch nachdem er gekommen war, leckte und saugte sie weiter an seinem Glied, und er überließ sich wieder seinem passiven Genuss.
Dieses Spiel wiederholte sich in den nächsten Tagen noch zweimal. Auch ohne ausdrückliche Einladung fand Louis sich zur selben Zeit bei ihr ein. Für ihn war sie immer noch »Madame Poirier«, während sie ihn duzte. Als er sie zum vierten Mal besuchte, blieb sie in der Tür stehen und ließ ihn nicht hinein. »Was stellst du dir vor?«, sagte sie in scharfem Ton. »Glaubst du, dir sei alles erlaubt? Es ist aus, junger Mann. Geh jetzt!«
Tief gekränkt drehte Louis sich um, ohne ein Wort zu sagen, und ging nach Hause. Es dauerte einige Tage, bis er sich beruhigt hatte. ›Letztlich ist es besser so‹, dachte er. ›Es war von Anfang an eine verfahrene Affäre. Ich liebe diese Frau nicht, und auchder sexuelle Akt war im Grunde pervers. Wie lange hält man das aus, eine einseitige sexuelle Beziehung? Kein einziges Mal durfte ich in sie eindringen! Gut, dass sie der Sache ein Ende gemacht hat.‹
Madame Poirier sah er nicht wieder. Auch seine Mutter erwähnte sie nicht mehr. Es war, als hätte es diese Dame nie gegeben.
24
P ARIS
— Anfang 1917 —
Louis las viel, nicht nur Bücher, sondern auch Zeitungen, aus denen er erfuhr oder zu erfahren glaubte, was sich auf den Kriegsschauplätzen zutrug. Je näher das Ende des Urlaubs rückte, umso unruhiger und bedrückter wurde er. Er schlief schlecht und wäre schließlich am liebsten sofort zur Front zurückgekehrt, nur damit dieser Zustand ein Ende nahm.
Dann kam der Tag, an dem er wieder in den Krieg ziehen musste. Wie beim vorigen Mal war der Abschied von der Familie verhalten. Niemand wollte seine Gefühle zeigen. Louis fühlte wieder einen Stich der Besorgnis, als er seinen Vater ansah. Dessen Gesicht
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