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Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)

Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)

Titel: Süß wie die Sünde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Dahl
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hörte, gab sie vor zu schlafen. Sie konnte Beth die Wahrheit nicht sagen. Sollte Marissa guter Hoffnung sein, musste sie sichergehen, dass niemand außer ihrer Familie die Wahrheit kannte. Eine solche Schande durfte sie Jude nicht antun – und dem Kind ebenso wenig.
    Bei dem Gedanken lockerte sich ihr Griff an den Zügeln, und die Stute wurde langsamer. An diesem Morgen lag schwacher Nebel über dem Boden, und obgleich Marissa zwanzig Meter weit klar sehen konnte, zog sich die Welt gleichsam von ihr zurück, als hörte die Erde auf zu existieren. Was heute ein Segen war, deshalb ließ sie Cleopatra eine Weile im Trab gehen, bevor sie die Stute zügelte und umkehrte. Heute war ihr Einsamkeit sehr willkommen.
    Sie war nicht guter Hoffnung. Dessen war sie sich sicher, trotzdem glaubte ihr niemand. Sie fühlte sich genauso wie vor jener Nacht, nicht verändert. Was sagte das über sie? War sie zu gefühllos, um etwas zu bemerken? Oder fehlte ihr etwas von dem Femininen, das einen zur Frau machte? Sie hatte sich schon immer anders gefühlt, auch wenn es keinem um sie herum aufzufallen schien. Ihren Brüdern nicht, ihren Eltern nicht, niemandem … bis Jude kam. Er sah sie, wie sie wirklich war, nur wusste sie nicht, ob sie so gesehen werden wollte.
    Manchmal kam es ihr wie eine Verletzung ihrer Intimsphäre vor, dass sie nicht kontrollieren konnte, was er über sie wusste. Er kannte ihre Geheimnisse ja nicht deshalb, weil sie sie ihm verraten hatte. Vielmehr sah er sie ihr an, als läse er all ihre sündigen Gedanken in ihrem Gesicht – geschrieben mit der Tinte der Schuld.
    Aber hier draußen im Nebel war sie sicher und allein. Ihre Zukunft war so verschwommen wie der Waldrand im Westen. Sogar ihre kalte Haut war nach all dem Erröten in jüngster Zeit eine angenehme Abwechslung.
    Trotzdem durfte sie hier nicht bleiben, und die Herren waren inzwischen gewiss schon zur morgendlichen Jagd aufgebrochen. Falls sie es schaffte, Beth aus dem Weg zu gehen …
    Auf halbem Weg zurück zum Herrenhaus näherten sich Hufschläge. Aus Gründen, die sie nicht benennen konnte, ahnte Marissa, dass es Jude war, und wappnete sich gegen seine alles sehenden Augen. Wahrscheinlich würde er zu ihr geritten kommen, einen Blick auf sie werfen und sie fragen, warum sie sich im Nebel versteckte und in Selbstmitleid schwelgte.
    Dieser neunmalkluge Kerl.
    Sie war bereit für ihn, als das Pferd endlich vor ihr auf dem Weg zu sehen war. So bereit, dass sie einen Anflug von Enttäuschung empfand, als sie die dunklen Nüstern und die weiße Blesse auf der Nase erkannte. Das war nicht Judes großer, hässlicher Hengst, also konnte Jude auch nicht der Reiter sein.
    Der Reiter hob eine Hand, und Marissa unterdrückte ein Seufzen. Sie wusste, zu wem der elegante schmale Arm gehörte.
    Mr Dunwoody. Verflucht!
    Sie grüßte ihn ernst, als er näher kam.
    »Miss York, ich hatte gehofft, Sie auf Ihrem Ausritt heute Morgen zu finden. Der Stalljunge sagte, dass Sie in diese Richtung geritten wären.«
    »Lassen Sie sich nicht von mir aufhalten, Sir. Ich bin bereits auf dem Rückweg, und vor Kälte ist meine Nase fast taub.«
    »Ah.« Ein Lächeln huschte über seine Züge. »Dürfte ich Sie bitte zurückbegleiten?« Er wendete sein Pferd, woraufhin der Wallach ungeduldig tänzelte. Es war ein wunderschönes Pferd mit ebensolch vollkommenen Linien wie Mr Dunwoodys Rock. Wehmütig musterte Marissa das Tier. Wie sehr sie schöne Dinge liebte!
    »Ihre Verlobung kam recht überraschend.«
    »Mr Bertrand ist seit Jahren ein Freund der Familie.«
    »Ja, nun ja … ich muss ihn wohl unter Ihren vielen Verehrern übersehen haben.«
    »Ach was, so viele waren es nicht.«
    »Mir schien es eine furchteinflößende Horde.« Sein Lächeln sollte fraglos selbstironisch sein, fiel jedoch besorgt aus. »Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist, Miss York? Erst das Zerwürfnis mit Mr White und nun diese plötzliche Verlobung. Ich gestehe, dass ich mir Sorgen mache.«
    »Weshalb machen Sie sich Sorgen?«
    Wie immer errötete Mr Dunwoody und schüttelte den Kopf. »Es geht mich nichts an.«
    Sie hätte ihn korrigieren sollen, und sei es nur, um höflich zu sein, aber das konnte sie nicht. Es ging ihn wirklich nichts an.
    Sein allzu starrer Rücken entspannte sich nach und nach, und schließlich schenkte Mr Dunwoody ihr ein normales Lächeln.
    Sie erwiderte sein Lächeln und fragte sich, ob sie sich mit ihren Sorgen jemals an Mr Dunwoody wenden könnte. Es war unvorstellbar,

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