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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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schlagartig klar, dass
er wahrhaftig immer noch einen passablen Körper hatte, den irgendwer mal anfassen könnte, und insbesondere als er an sein Geschlechtsteil dachte, kam er ins Grübeln.
    »Weißt du was«, beklagte er sich bei seinem einzigen Freund, dem Friseur, »ich bin nun wirklich alt geworden. Ich habe inzwischen häufiger einen steifen Nacken als
einen nackten Steifen!«
    Zweiter Auslöser seiner Lebenskrise war der Tod einer Nachbarin, die früher mit ihm zusammen in eine Klasse gegangen war.
    »Sophie«, erzählte Opa seiner Enkelin fassungslos, Betonung nicht auf dem eleganten ie , sondern als hätte es kein ph,
sondern zwei f , wie Soffi von versoffen .
    »Dass jetzt die Klassenkameraden beerdigt werden, das ist übel, ein verdammter Mist ist das, ganz schlecht kann einem davon werden, da fragt man sich: Wo schlägts als
Nächstes ein?«
    Sophies älteste Tochter hatte bei der obligatorischen Räumung der Wohnung viele Flaschen hinter der Waschmaschine und im Kleiderschrank zwischen den Unterhosen gefunden.
    »Was«, fragte sich Opa, »wird man bei mir finden, wenn ich tot bin? Wer kramt bei mir herum? Wer verhökert meine Sachen oder wirft sie gar in den Müll, obwohl sie
noch gut sind? Du?«
    Er schaute Annie böse an.
    »Nein«, versprach sie ihm. »Ich rühre nichts an!«
    Er winkte ab, glaubte ihr offenbar kein Wort.
    »Was also räume ich weg, bevor ihr mich findet? Ich muss dringend meine letzten Flaschen aussaufen, bevor ich sterbe. Dann die Peinlichkeiten, die jeder Mensch so hat. Bei Sophie hat
man einen goldfarbenen Vibrator gefunden, na und?! Soll sie doch einen haben, aber alle reden davon, widerlich. Meine Literatur, die Zeitschriften? Die werde ich jetzt schon wegwerfen müssen,
verdammt!«
    »Du lebst bestimmt noch lange«, versuchte Annie ihn zu beruhigen.
    Aber ihr Opa wollte nichts davon hören, sondern wetterte wütend weiter: »Das Totenhemd kostet auch extra, wusstest du das? Man kann beim Bestatter schon vorher aussuchen, will
man läppisches Leinen tragen oder teure Seide. Schade, dass Ikea keine Särge hat und Aldi entsprechende Hemden dazu.«
    Er krümelte sich Tabak in ein Blättchen und drehte sich eine Zigarette.
    »Wusstest du, dass so ein Ding gar keine Knopflöcher hat? Bloß Knöpfe drangenäht. Weshalb, frage ich dich, sind am letzten Hemd Knöpfe ohne Knopflöcher? Weil
man die Leichen verarschen kann, sobald sie tot sind, darum. Sophie wurde vorher vom Bestatter gewaschen, das kostet noch mal, hat ihre Tochter mir erzählt, jeder Handschlag kostet da was.
Dabei hätte sich Sophie geschämt, wenn ein Fremder sie nackt gesehen hätte, egal ob lebendig oder tot, die Scham stirbt ja nicht gleich mit. Ich will auf keinen Fall von diesem Kerl
gewaschen werden! Der spielt noch mit meinen Eiern, ich kenne den doch. Kann ich das verhindern, Kind? Sorgst du dafür?«
    »Ja, Opa, ich wasche dich.«
    »Bist du bescheuert?«, fuhr er aus der Haut. »Du bist ein Mädchen, lass bloß die Finger von mir. Ich werde im Testament verfügen, dass mich niemand waschen
darf.«
    Er dachte kurz nach: »Nein, bis das Testament eröffnet wird, bin ich unter der Erde. Also hat inzwischen schon einer an mir rumgefingert. Ich lege einen Zettel auf meinen Nachttisch,
so mache ich es. Gleich heute! Ich verfüge, dass man mich in die Kiste legen soll, wie man mich gefunden hat. Ich sollte mir eigentlich in dieser Sekunde ein Schild um den Hals hängen,
auf dem steht: Bin frisch geduscht! Dann packt mich keiner an.«
    Seine Selbstgedrehte hatte endlich Glut gefangen, wütend paffte er die Rauchwolken wie eine uralte Dampflok aus sich heraus. Der Zeige- und der Mittelfinger seiner rechten Hand waren mit
den Jahren vom Nikotin gelb geworden.
    »Vom Rauchen stirbst du noch früher.«
    »Gut so! Da freut sich die Rentenversicherung, bald wird Rauchen ab achtzig Jahren Pflicht, sonst gehen wir alle pleite von den vielen alten Säcken, die ewig leben wollen.«
    Annie fragte: »Hast du Mama wirklich im Kinderwagen allein gelassen?«
    Er spuckte Tabakkrümel: »Die spinnt doch, das waren nur Minuten, es dauert eben, bis die Scheißflasche warm wird, und sie redet seit Ewigkeiten davon. Die hat echt einen an der
Klatsche, hat die.«
    Für Annie war dieses Thema daher erledigt, sie kam auf seine Beerdigung zurück: »Aber deine Hände sollen gefaltet werden, oder?«
    »Wo?«
    »Na, im Sarg, wie sich das gehört.«
    Er starrte sie an: »Hab mein Lebtag nicht gebetet. Aber wenn tatsächlich

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