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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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es wurde immer ärgerlicher, alle paar Minuten schossen Zwetschgen in den Himmel, mehr und mehr Leute kamen und staunten. Nette betete
schon – ausgerechnet sie –, aber es nutzte nichts. Nach cirka fünfzig Detonationen riss sie sich zusammen, ging hinaus, durch die aufgeregte Menge hindurch, wagte sich in
die Garage hinein und nahm die Dosen in Augenschein. Sie hob einzelne von ihnen hoch, inspizierte die Deckel – viele davon waren bereits deformiert, dehnten sich bedrohlich nach
außen. Ihre Tochter folgte ihr zögernd; als sie gerade eingetreten war, explodierte direkt neben ihnen eine weitere. Nette zuckte zusammen, Annie rannte ängstlich aus dem Schuppen.
Ihre Mutter lief ihr nach, und beide mussten hilflos zusehen, wie ihre harte Arbeit sich im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auflöste. Draußen applaudierten die Zuschauer beim Start und
johlten bei der Landung jeder Dose, zu allem Übel ging Opa wahrhaftig mit einer Handkasse und einem Stempel durch die Reihen und kassierte für das Betrachten des Desasters
Eintrittsgelder.
    »Irgendwann bringe ich ihn um«, flüsterte Nette heiser. Annie konnte es deutlich hören, Wort für Wort.
    »Das meinst du doch nicht ernst?«
    »Irgendwann«, versicherte ihre Mutter außer sich vor Zorn, »mache ich ihn kalt.« Sie zerwühlte sich die Haare und massierte ihre Stirn, als wolle sie ihr
logisches Denken in Schwung bringen: »Hab ich diese Scheißbüchsen denn nicht richtig verschlossen?«
    Annie zuckte mit den Schultern. Wenn etwas scheiterte, lag es nie an den Dingen, sondern immer an ihrer Mutter, die war regelrecht verwandt mit schweren Schicksalsschlägen.
    »Hoffentlich vererbt sich das nicht!«, sagte Annie bange.
    Nette ging zurück in die Garage, nahm eine Dose, um sie zu untersuchen, da platzte sie in ihren Händen. Zum Glück hielt sie nicht die Deckelseite Richtung Körper, die Wucht
hätte sie sonst verletzen können. Längst war ihr klar, dass es sich nicht um gewöhnliche Bombagen handelte, das hier war kein Eins-zu-Tausend, es war ihr Ruin, wieder
einmal.
    Auf der Straße fanden sich immer mehr Gaffer ein, aus den Nachbardörfern kamen sie, ein Kamerateam drehte schon, man würde am Abend in der Hessenschau zu sehen sein. Manche Dosen
flogen sogar über die Dächer und kamen sonst wo runter, landeten mitsamt den matschigen Früchten auf dem Hof, dem Bürgersteig, der Straße. Opa verkaufte jetzt Bier und
Sprudel, Nette ging deswegen auf ihn los – ihre Handgreiflichkeiten würden auch ins Fernsehen kommen –, schließlich verschwand sie heulend im Haus. Annie schaute
ihr nach und wusste, dass ihre schreckliche Laune den ganzen Winter nicht verschwinden wird, man wird sich im engen Haus gegenseitig ertragen müssen.
    Sie ging ihrer Mutter zögernd nach, die wie ein angeschossenes Tier durch alle Zimmer des Hauses rannte und die Türen knallte. Dann beschloss Nette, zur Beruhigung ein Bad zu nehmen,
bevor sie ihren Vater noch umbrachte. Annie ließ heißes Wasser in die Wanne – zu beider Erstaunen kam eine rotbraun verfärbte Brühe aus dem Hahn.
    »Schau dir das an!«
    »Wieso ist das so schmutzig?«, fragte Annie.
    Nette drückte die Toilettenspülung, das Wasser war klar, schien sauber zu sein.
    Sie gingen gemeinsam durch das Haus, in der Küche floss das kalte Wasser sauber, doch das warme blieb dunkel verschmutzt.
    »Rost, wenn ich Glück habe«, hoffte Nette. »Nicht in der Leitung, sondern im Wasser, in der Quelle, in den Dosen!«
    Sie fragte Annie: »Hast du diese Woche geduscht?«
    »Katzenwäsche, und du?«
    »Ich auch, keine Zeit gehabt.«
    Annie verstand nicht, weshalb rostiges Wasser gut sein sollte. Aber Nette rief geistesgegenwärtig die Polizei und ließ eine Wasserprobe nehmen. Sie verdächtigte das Wasserwerk,
und sie sollte recht behalten, es war tatsächlich verunreinigt. In Verbindung mit Fruchtsäure bläht sich Eisenoxid massiv auf, so viel wusste Nette. Fünftausend Dosen hatten sie
in einer Woche produziert, alle explodierten im Laufe der darauf folgenden Woche, und vielleicht war sie gar nicht schuld daran, denn weitere Verunreinigungen wurden festgestellt.
    Ein junger Anwalt riet der gescheiterten Konservenfabrikantin, das Wasserwerk zu verklagen, das hatte in der Produktionswoche unangemeldet eine neue Quelle angezapft, die womöglich zu kurz
gespült worden war. Als Beweismittel sollte der Inhalt der Zwetschgendosen genauer untersucht werden, die Gutachten stapelten sich vor Gericht, ein Ende der

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