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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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Zeit von dieser Malaise befreit zu sein. Weshalb hätte sie befürchten sollen, dass was nicht stimmte,
geschweige denn, sich auf eine Schwangerschaft testen – sie hatte ja nicht mal Sex gehabt.
    Einige Wochen später war ihr speiübel, sie war oft müde, schlief sogar mitten am Tag im Sanitätsraum der Schule.
    »Gehst du zu spät ins Bett?«, fragte die Schulsekretärin.
    »Mir ist bloß ein bisschen schlecht.«
    »Hast du deine Tage?«
    Paula schüttelte den Kopf, sagte aber: »Ja.«
    »Siehst du, das wirds sein.«
    Ihr Kinderarzt untersuchte sie turnusgemäß und stellte fest, dass ihre Lunge nicht entzündet war. »Das ist schon mal gut.«
    »Toll«, lächelte Paula matt. Sie hätte ihm berichten können, dass sie spucken musste, wie ihre Mutter das seit Jahren nach den Mahlzeiten tat. Doch über Essen im
Klo sprach man nicht, das war in der Familie unausgesprochen abgemacht. Also erwähnte sie dem Arzt gegenüber nichts vom Magen, den er hätte untersuchen können, und bat ihn auch
nicht, die Mutter mal zu fragen, weshalb sie so dünn blieb.
    Weihnachten war wie immer, alles der Reihe nach und genau wie die Jahre davor, jedes Dekorationsstück im Haus am selben Platz und jedes Ritual zur gleichen Zeit:
Adventskonzert, grauenhafter Kabeljau, der niemandem schmeckte, aber Tradition war. Eine Krippe im Flur, obwohl keiner im Haus glaubte, dass ein Heiland im Stall geboren war. Riesiger roter
Herrnhuter Stern im Fenster, von innen beleuchtet. Jeder Elbschiffer konnte ihn vom Fluss aus oben am Hang strahlen sehen, er blieb exakt bis zum sechsten Januar des neuen Jahres hängen. Keine
Silvesterfeier im Haus, sondern im Hotel, das Seminar der Universität lud dazu ein. Dort kicherten auch in diesem Jahr die herausgeputzten Gattinnen, die Paula umarmen musste. In früheren
Jahren hatten noch deren Kinder mitgefeiert, nun fehlten diese Jugendlichen, weil sie sich erfolgreich geweigert hatten, mit ihren Eltern zu feiern.
    »Es ist das letzte Mal, dass ich hier mitgehe!«
    »Was willst du denn stattdessen tun?«
    Paula blieb die Antwort schuldig, am liebsten hätte sie in Cottbus gefeiert, obwohl sie nicht mal wusste, ob jemand dort eine Party veranstaltete.
    Anfang des Jahres stellte sie die Möbel in ihrem Zimmer um, ab Februar verhielt sie sich daheim, als habe sie ein Schweigegelübde abgelegt.
    »Teenager sind so«, beruhigten sich die Eltern gegenseitig.
    Im März strotzte Paula vor guter Laune, mit einem Mal liebte sie Montage und verabscheute Freitage, fand Rote Bete köstlich und wollte keine Lakritze mehr, sie nuckelte wieder am
Daumen, kuschelte sich ins Bett ihrer Eltern und schlief zwischen ihnen ein. Die waren beglückt, dass Paula für eine Nacht mal wieder ihr Kindchen war, wenngleich sie anmerkten, dass sie
fülliger geworden war. Der Vater nannte es liebevoll Babyspeck, wie treffend.
    »Wirds nicht ein wenig zu viel?«, fragte die Mutter.
    »Und du?«, fauchte ihre Tochter beleidigt zurück. »Bist du nicht ein wenig zu dünn?«
    »Ich finde Fett an der Taille unattraktiv.«
    »Und ich finde deinen knochigen Körper nicht schön.«
    »Wie putzig, man kommt in die Flegeljahre.«
    »Ich will einfach nur so sein, wie ich bin.«
    »Das kannst du ja, aber warum so prall?«
    Von da an legte sich Paula nicht mehr zu den Eltern ins Bett, zeigte sich nicht mal in Nachtwäsche, trug weite Kleidung und verbat ihnen jeden Kommentar zu ihrem Aussehen. Sie aß mit
Enthusiasmus Äpfel, Nüsse, trank Milch und liebte Gebäck, schlief gut, träumte wunderschön und erinnerte sich am Morgen an nichts. Weinte manchmal glücklich ohne Grund
und lächelte selbst im Mathematikunterricht versonnen vor sich hin. Sie war unerklärlich zufrieden wie nie zuvor.
    »Was gibts zu grinsen?«, fragte der Lehrer angesichts einer Kurvendiskussion.
    Paula antwortete freundlich: »Ihre Graphen sind so schön.«
    Die Klasse lachte.
    Im Frühjahr bekam sie ihre Jeans nicht mehr zu, von nun an zog sie Jogginghosen an.
    »Kind, ist das nicht schäbig?«
    »Mama, das ist Trend, Madonna trägt sie auch.«
    »Wirklich?«
    »Kaschmir-Seide-Gemisch.«
    »Ach. Möchtest du so eine?«
    »Gern.«
    »Dann hole ich mir gleich eine mit, da wird meine Kaffeerunde staunen.«
    »Du bist peinlich.«
    »Madonna vielleicht nicht?«
    Nun lächelte Paula sie tatsächlich mal an: »Da hast du recht, die macht auf Mädchen und könnte Oma sein.«
    Ihre Mutter rollte mit den Augen: »Oma, jetzt übertreibst du aber!«
    »Das willst du nie sein,

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