Süße Fesseln der Liebe
Sorgen machen müssen; die neue Lage machte es erheblich schwieriger, sich lediglich auf die eigene Sicherheit zu konzentrieren.
Er überließ den Zweispänner seinem Burschen und eilte ins Haus. Morecombe war weit und breit nicht zu sehen. Aber Jemmy, der in seiner neuen Dienstkleidung ausgesprochen schick aussah, kam aus der Küche in die Halle gerannt, kaum dass er die Eingangstür gehört hatte. »Guten Tag, Sir.« Er zupfte an seiner Weste. »Lady Farn… ich meine, Falconer, Lady Falconer befindet sich in der Bibliothek. Soll ich Ihnen was bringen, Sir?«
Unwillkürlich musste Greville über den Eifer des Jungen lächeln. Der Bursche fühlte sich mit seinen neuen Pflichten so wohl wie ein Fisch im Wasser. »Bitte kümmern Sie sich darum, dass die Karaffen gefüllt sind, Jemmy.« Er reichte dem Jungen Hut, Peitsche und Handschuhe und eilte zur Bibliothek im hinteren Teil des Hauses.
Die Tür war nur angelehnt. Leise stieß er sie auf. Nur Lyra, die ihn nicht als Bedrohung empfand, bemerkte ihn, als er ein paar Sekunden lang auf der Schwelle stehen blieb. Aufmerksam linste der Hund in seine Richtung.
Aurelia saß am Sekretär und schrieb einen Brief. Lyra lag ihr zu Füßen; Franny lehnte sich an den Hund, hielt ein Stück Kreide in der Hand und kritzelte angestrengt die Buchstaben des Alphabets auf eine Schiefertafel.
In Grevilles Brust machten sich die seltsamsten Empfindungen breit. Bisher war ihm die Bedeutung von Familienleben fremd geblieben, denn in seiner grauenhaften Kindheit hatte er keinerlei gute Erfahrungen gemacht. Niemals hatte er damit gerechnet, dass er diesen Verlust wieder ausgleichen könnte. Aber irgendetwas an dieser heiteren Familienszene mit erleuchteten Lampen und dem wärmenden Kaminfeuer in einem Zimmer voller Bücher berührte ihn auf eine Weise, wie er bisher noch nie empfunden hatte.
Es war, als hätte Aurelia dem gemieteten Haus ihren Stempel aufgedrückt. Längst hatte seine Einrichtung jegliche Anonymität verloren, denn Aurelia hatte überall ihre persönliche Handschrift hinzugefügt, angefangen beim Strauß früh blühender Narzissen über die Forsythien bis zu den bestickten Kissen, den Bücherstapeln, ihrem Stickrahmen und den verstreuten Dingen, die Franny aus dem Kinderzimmer angeschleppt hatte.
Mit der Schreibfeder in der Hand drehte Aurelia sich an dem Sekretär um, und lächelte. »Ich habe mich schon gefragt, wann du wohl nach Hause kommen wirst.« In ihrem Lächeln spielte die Erinnerung an ein kürzlich genossenes Vergnügen, und die braunen Augen glühten förmlich im weichen Licht der Lampen. Ihr helles Haar wurde auf dem Kopf von einem kleinen Diadem zusammengehalten; das dunkelgrüne Kleid aus feiner Wolle besaß einen hohen Kragen, der ihren schmalen, wohlgeformten Kopf wunderbar zur Geltung brachte.
Franny rappelte sich auf. »Guck mal, was ich geschrieben habe«, rief sie und kam zu ihm. Das Mädchen schien ihn als Teil ihres Lebens akzeptiert zu haben. Im Grunde genommen bekam sie ihn nicht besonders oft zu Gesicht, sodass ihr Alltag sich kaum verändert hatte. Aurelia legte Wert darauf, dass es so blieb. Ohnehin sollte das Arrangement nur für drei Monate gelten; jetzt natürlich noch kürzer, und je geringer die Auswirkungen auf ihre Tochter waren, desto leichter würde ihr die Trennung fallen.
Inzwischen begutachtete Greville die Schiefertafel und die darauf geschriebenen Buchstaben mit gebührendem Ernst. »Ausgezeichnet, Franny«, verkündete er und strich ihr über das Haar. Kurz darauf streichelte er Lyra, die sich würdevoll erhoben hatte und ihn mit der Schnauze anstupste. Dann ging er zu seiner Frau und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
»Deine Wangen sind kalt«, begrüßte sie ihn lachend, als sie ihn sanft streichelte. »Ist es kalt draußen? Ich habe den ganzen Tag noch keinen Fuß vor die Tür gesetzt.«
»Es ist ausgesprochen frisch«, meinte Greville und ging zur Anrichte. »Sherry?«
»Hm, ja, bitte.«
»Und warum bist du noch nicht draußen gewesen?«
»Oh, ich hatte hier alle Hände voll zu tun.« Sie nahm ihm das Glas ab. »Die Speisekarte für die Woche, Rechnungen begleichen und eine Schneiderstunde mit Claire, die mir ein neues Dinner-kleid aus der gemusterten italienischen Seide zaubert, die Liv mir geschickt hat.«
Aurelia stand auf, während sie sprach. »Ich habe keine Ahnung, wo Alex diese außergewöhnlichen Luxuswaren immer einkauft. Da hat er sich nun mit seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn in diesem
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