Süße Fesseln der Liebe
»Ich muss wissen, was Frederick an sich hatte … wie er war … was es war, was mir in all den Jahren, die ich ihn kannte, entgangen ist. Anders als Ihnen nach ein paar kurzen Tagen.«
»Die Bereitschaft, sich Herausforderungen zu stellen, Hindernisse zu überwinden, Grenzen zu überschreiten. Die Lust, Gefahren ins Auge zu sehen. Oh, bitte verstehen Sie mich nicht falsch, eine gesunde Angst ist natürlich auch nötig. Aber um den Aufgaben gerecht zu werden, muss jemand den Mut aufbringen, die Angst zu überwinden.«
Aurelia lehnte sich in ihrem Sessel zurück, ließ den Kopf nach hinten sinken und schloss die Augen für ein paar Sekunden. Frederick war tatsächlich ein waghalsiger Jäger gewesen, hatte sich immer an vorderster Front in die Schlacht gestürzt. In der Schule und an der Universität hatte er sich mit wildem Eifer in jeder Körperertüchtigung geübt und sich gewöhnlich an die Spitze gesetzt. Ohne zu zögern, hatte er sich der Marine angeschlossen und sich anfangs darüber beklagt, dass es kaum etwas zu tun gab. Aber dennoch hatte sie ihn nicht für anders gehalten als andere junge Männer auch. Greville Falconer hatte ihn mit anderen Augen gesehen. Fredericks eigene Worte gingen ihr durch den Kopf, und sie musste zugeben, dass er geahnt hatte, welche Fähigkeiten sich in ihm verbargen, selbst wenn Freunde und Familie es nicht begriffen hatten.
»Noch weitere Fragen?«
Seine ruhige Stimme drängte sich in ihre Überlegungen. Abrupt setzte sie sich auf. Wieder reagierte ihr Körper merkwürdig, wurde heiß und kalt, und ihr Herz pochte wild. Aber diesmal kannte sie den Grund. Noch verwirrte es sie, doch es lag auf der Hand, dass es ausschließlich mit dem Mann zu tun hatte, der ihr gegenübersaß … Gefahren, Geheimnisse, Intrigen … All das umschwebte ihn wie eine Aura und war förmlich mit Händen zu greifen.
»Was werden Sie in London zu erledigen haben?« Ihre Stimme zitterte leicht, aber sie war überzeugt, dass er es nicht bemerken würde. Dann wurde ihr klar, dass er es selbstverständlich bemerkt hatte. Die Wahrnehmung dieses Mannes war so geübt, dass ihm nichts entging.
»Ein wenig Arbeit«, entgegnete Greville ausweichend und achtete darauf, dass nicht auffiel, wie genau er sie im Blick behielt. Wieder erinnerte sie ihn an ein Vögelchen, das die Annäherung eines Jägers witterte, aber noch unschlüssig schien. Als ob sie sich bereit machte, jede Sekunde die Flucht zu ergreifen, aber noch unschlüssig war. Irgendetwas in seinen Worten musste ihre Aufmerksamkeit erregt haben.
»Vielleicht können Sie mir helfen«, fuhr er fort und beobachtete ihre Überraschung, ihr Erschrecken.
»Ihnen helfen? Wie?« Aurelia hatte sich zur vollen Größe aufgerichtet und schaute ihm direkt in die Augen.
»Ich brauche eine Wohnung«, erklärte er mit einem entwaffnenden Lächeln. »Zurzeit bin ich bei meiner Tante in der Brook Street untergekommen. Aber ich habe vor, meinen Aufenthalt in der Stadt auszudehnen, und dann muss ich mir einen eigenen Haushalt einrichten. Vielleicht wissen Sie etwas Passendes.«
Aurelia empfand seine Anfrage als kalte Dusche, die ihr durchaus willkommen war. »Sir Greville, ich bin nicht in der Immobilienbranche tätig.« Ihre Stimme klang kühl und leidenschaftslos.
»Das habe ich auch nicht angenommen, Ma'am. Aber weil Sie sich schon seit geraumer Zeit in der Stadt aufhalten, hatte ich angenommen, Sie hätten etwas gehört … Vielleicht wissen Sie von einem Mieter, der seine Unterkunft aufgeben will. Es ist ja keine vollkommen unvernünftige Vermutung.« Er stand auf. »Ich werde Sie nicht länger aufhalten.«
Aurelia erhob sich ebenfalls. »Nein, es ist keine unvernünftige Vermutung, nehme ich an. Wenn mir etwas zu Ohren kommt, werde ich es Sie wissen lassen, wenn Sie mir eine Adresse hinterlegen, bei der ich Sie erreichen kann.« Sie streckte ihre Hand zum Abschied aus.
»Ich bin bei meiner Tante Lady Broughton zu erreichen. In der Brook Street«, erwiderte Greville, ergriff ihre Hand und verbeugte sich tadellos. »Aber ich werde Sie sicher bald wieder aufsuchen, Ma'am.«
Steckte mehr in seinen Worten als nur die gewöhnliche Oberflächlichkeit? Warum hatte sie das Gefühl, dass dieser Mann niemals etwas tat oder sagte, ohne einen bestimmten Zweck zu verfolgen? Aber welchen Zweck sollte er ausgerechnet mit ihr verfolgen wollen? Nachdem er die Dokumente für das Ministerium abgeholt hatte, sollte er für sie eigentlich keinerlei Interesse mehr hegen.
»Ja,
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