Süße Fesseln der Liebe
Tage gesehen hatte, passte perfekt zu einem ruhigen Frühstück, bei dem man allein am Tisch saß - aber sicher nicht zum Empfang eines Besuchers. Doch dann fiel ihr ein, dass der Besuch bestimmt damit rechnete, sie in unpassender Kleidung anzutreffen, wenn er zu so unchristlicher Stunde auftauchte.
Aurelia nippte an ihrem Kaffee und stellte die Tasse vorsichtig auf die Untertasse zurück. »Führen Sie ihn herein, Morecombe.«
Morecombe schniefte missbilligend, schlurfte aber davon. Kaum eine Minute später betrat Greville Falconer das Morgenzimmer. Er war für einen Ausritt gekleidet; das zerzauste Haar und die frische Farbe auf den Wangen zeigten, dass er bereits einen Ritt unternommen hatte. In der Sekunde vor seiner Verbeugung glaubte Aurelia bemerkt zu haben, wie es in seinen dunkelgrauen Augen geblitzt hatte, ein Aufblitzen, das sie nicht recht deuten konnte. Amüsierte er sich? Oder lag es an etwas ganz anderem?
»Ma'am, ich bitte um Vergebung, dass ich Sie beim Frühstück störe. Es ist entschieden zu früh für eine morgendliche Aufwartung, aber ich hatte gehofft, Sie anzutreffen, bevor Sie ausreiten oder bevor anderer Besuch an Ihre Tür klopft.«
An seinem Tonfall konnte sie erkennen, dass er sich offenbar immer noch amüsierte, und das Glitzern in seinem Blick war ebenfalls noch nicht verschwunden. Aber Aurelia glaubte nicht mehr, dass es ausschließlich an seiner Belustigung lag. Wieder einmal rann ihr dieser seltsame Schauder über den Rücken. Greville hatte mit einer geradezu entwaffnenden Ehrlichkeit zugegeben, dass sein Besuch vollkommen unpassend war. Einen Moment lang war Aurelia unschlüssig, wie sie darauf reagieren sollte, entschied sich dann aber für einen nüchternen und sachlichen Umgang mit ihm.
»Nun, Sir Greville, das ist Ihnen offensichtlich gelungen. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten … oder vielleicht möchten Sie frühstücken? Ich könnte die Küche bitten, ein paar kräftigere Gerichte als nur Toast zu servieren. Ich fürchte, ich habe heute Morgen wenig Appetit.«
»Sehr freundlich, Lady Farnham. Ich muss gestehen, dass mir ein Räucherhering oder ein Lammkotelett oder ein wenig Schinken sehr recht wären. Ich bin seit früh um sechs mit dem Pferd unterwegs.« Er zog sich einen Stuhl heran und lächelte heiter, während er sich setzte.
Insgeheim hatte Aurelia gehofft, ihn mit ihrer ironisch gemeinten Einladung unmissverständlich darauf hinzuweisen, wie unpassend sein Besuch war. Eigentlich hatte sie dafür sorgen wollen, dass er sich unbehaglich fühlte; aber das war eine Kunst, die sie offenbar noch nicht beherrschte.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, klingelte sie mit dem kleinen Silberglöckchen neben ihrem Teller, wartete und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis Morecombe auftauchte. Schließlich steckte Hester ihren Kopf durch die Tür. »Was kann ich Ihnen bringen, Ma'am?«
»Sir Greville hätte gern ein kleines Frühstück, Hester. Bitte fragen Sie Miss Ada oder Miss Mavis, ob sich etwas Passendes finden lässt.«
Das Mädchen starrte den Besuch an. »Selbstverständlich, Ma'am. Aber es ist Backtag, und Miss Ada ist mit dem Brotbacken beschäftigt. Miss Mavis brät Steaks und kocht Bohnenpastete.«
»Bitte fragen Sie nach, was sich machen lässt, Hester.« Aurelia schickte das Mädchen mit einem Lächeln aus dem Zimmer.
»Wenn ich geahnt hätte, dass es solche Umstände macht, hätte ich die Einladung niemals angenommen. Ich bin sicher, dass ein kleiner Toast vollkommen ausreichend ist.« Greville griff nach dem Toast, der wie kaltes Leder aussah.
»Oh, glauben Sie mir, Sir, ein Toast wird keinesfalls ausreichen«, verkündete Aurelia. »Wenn Sie schon den gewohnten Gang der Arbeit in meiner Küche stören, dann werden Sie auch essen, was man Ihnen auftischt, und Sie werden jeden Bissen genießen.«
Mit spöttischer Ergebenheit senkte er den Kopf. »Wie Sie meinen, Ma'am. Ich bin außerordentlich dankbar für Ihr Angebot und bedaure zutiefst, Ihnen solche Umstände zu machen.« In seinen Augen funkelte das Gelächter, und selbst Aurelia konnte nicht verbergen, wie sehr sie sich über das lächerliche Katz-und-Maus-Spiel amüsierte. Zwei Grübchen zeigten sich auf ihren Wangen, und ihre braunen Augen schimmerten hell.
Inzwischen machte Greville keinen Hehl mehr aus seiner Bewunderung. Das Haar fiel ihr locker und glatt über die Schultern. Nur wenige hartnäckige Locken hatten die Nacht überstanden und belebten die Frisur. Ihre Wangen
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