Süße Fesseln der Liebe
dass sämtliche persönliche Beziehungen unakzeptable Risiken bargen. Es stimmte, dass er Frederick Farnham ebenso sehr als Freund und nicht nur als Partner betrachtet hatte; aber niemals hatte die Freundschaft schwerer gewogen als die Partnerschaft. Frederick war sein Untergebener gewesen. Es hatte niemals Zweifel bezüglich der Weisung gegeben, dass die Freundschaft das dienstliche Verhältnis nicht dominieren durfte.
»Lady Farnham.« Greville bot ihr seinen Arm, während der Lakai die Tür öffnete.
Aurelia ließ die Hand kaum spürbar auf seinem Arm ruhen und umklammerte Franny fest mit der freien Hand, als sie zur Straße gingen.
»Mama, wer ist der Mann?«, flüsterte Franny durchdringend, sodass ihre Mutter zögerlich lächelte.
Bevor sie antworten konnte, ergriff Greville das Wort. »Mein Name ist Colonel Falconer, Franny«, erklärte er ernst, hielt kurz inne und sprach das Kind direkt an. »Ich bin Soldat in der Armee.«
Franny verzog das Gesicht. »Mein Papa war Matrose in der Marine. Aber ich kann mich nicht an ihn erinnern. Er ist gestorben.«
»Ja, das ist mir zu Ohren gekommen«, erwiderte Greville, »und ich bedaure es außerordentlich, Franny.«
»Für Mama ist es sehr traurig.« Das Kind sprang zur Seite, um einen Stein aufzuheben. »Der ist sehr schön … ist doch sehr schön, nicht wahr, Mama?«
»Sehr«, bestätigte Aurelia. »Steck ihn in deinen Muff. Wir müssen uns jetzt beeilen. Miss Ada wird den Tee schon fertig haben.«
»Gekochte Eier und arme Soldaten … Ich habe sie heute Morgen darum gebeten«, plapperte Franny und hopste die Straße entlang.
»Arme Soldaten?«, hakte Greville nach.
»Arme Ritter … kleine Toasts mit Butter … die in Eigelb getunkt werden«, informierte Aurelia. »Haben Sie in Ihrer Kindheit wahrscheinlich nie kennengelernt.« In ihrer Stimme klang immer noch der Ärger über das Spielchen durch, das er zuvor mit ihr getrieben hatte.
»Nein. Das wurde mir eindeutig vorenthalten.«
Aurelia schaute ihn an. »Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, Colonel. Ich kann mir kaum denken, dass man Ihnen etwas vorenthalten kann, was Sie mit aller Macht haben wollen.«
Greville atmete geräuschvoll aus. »Ich muss wirklich einen schlechten Eindruck hinterlassen haben, Ma'am. Es ist eine Schande, denn das lag ganz gewiss nicht in meiner Absicht.«
»Sie sollten sich mehr anstrengen«, riet Aurelia ihm süßlich, »übrigens gibt es keinen Grund, dass Sie uns noch länger begleiten. Wir sind in Sicherheit … solange niemand auf die Idee kommt, uns zu verfolgen. Natürlich nur als Spiel.«
Greville verbeugte sich. Es war Zeit, sich zu verabschieden, und er wusste nur zu genau, wann es besser war, sich zurückzuziehen. Offensichtlich hatte die Lady seine Gesellschaft heute zur Genüge genossen. Morgen würde er wieder bei ihr vorsprechen. »Sind Sie sich sicher?«
»Vollkommen.«
»Dann werde ich mich Ihren Wünschen fügen.« Wieder verbeugte er sich, drückte ihr zum Abschied fest die Hand, bevor er sich feierlich verbeugte und auch dem Kind die Hand schüttelte. Dann drehte er um und machte sich auf den Weg zur Brook Street.
Aurelia widerstand dem Bedürfnis, ihm nachzuschauen. Mit Franny an der Hand eilte sie rasch zum Cavendish Square.
5
Am nächsten Morgen saß Aurelia am Frühstückstisch, als Morecombe geräuschlos in der Tür erschien.
»Jemand will Sie sehen«, verkündete er.
»Um diese Zeit?« Aurelia warf einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims. Es war noch nicht einmal neun. »Wer ist es, Morecombe?«
Der ältliche Diener zuckte die Schultern. »Weiß nicht recht. Hat seinen Namen nicht gesagt. Ist aber schon mal hier gewesen … gestern oder so.«
Aurelia zog die Brauen hoch. Wenn so früh am Morgen Besuch erschien, musste ein Notfall vorliegen - oder zumindest eine dringende Angelegenheit zu erledigen sein. Aber in einem solchen Fall hätte der Besucher sein Anliegen erklärt. Also konnte es sich nur um einen einzigen Mann handeln. Und ein solch ungewöhnlicher Auftritt sah nur einem einzigen Mann ähnlich: Colonel Sir Greville Falconer.
Natürlich könnte sie sich weigern, ihn zu empfangen. Aber was würde ihr das nützen? Wenn er sie sehen wollte, dann würde er dafür sorgen, dass das auch geschah. Auf welchem Weg auch immer. Wieder einmal kribbelte ihre Haut, und ihr Herz schlug schneller.
Aurelia überlegte, ob sie den Colonel warten lassen sollte, während sie sich umzog. Ein ausgeblichenes Kleid, das wahrlich schon bessere
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