Süße Fesseln der Liebe
sie in einer Postkutsche hocken und angeregt mit einer Bauersfrau plaudern würde, die einen Vogel im Käfig hielt.
»Hört gar nicht mehr auf, wenn er erst mal in Schwung gekommen ist. Gott segne ihn. Wann sind wir endlich zu Hause, mein Lieber?« Aurelias Nachbarin quetschte sich gemütlich in den Sitz und richtete sich auf eine nettes Plauderstündchen ein.
Greville war zuletzt eingestiegen und gab sich notgedrungen mit dem mittleren Platz gegenüber zufrieden. Mit verschränkten Armen lehnte er sich zurück und schloss sofort die Augen. Überrascht stellte Aurelia fest, dass er tief und fest zu schlafen schien, bevor die Kutsche losfuhr und durch den Torbogen auf die Straße rumpelte.
Er schlief weiter, rührte sich nicht, atmete ruhig und regelmäßig, während die Kutsche die Stadt verließ.
»He, ich kann den Krach nicht vertragen. Und du, meine Liebe?«, fragte Aurelias Nachbarin, als der Lärm der Stadt verklungen war und die Kutsche die Anhöhe nach Hampstead Heath zu erklimmen begann. »Brauch die Ruhe auf dem Lande. Is' besser, nicht wahr?«
»Aye«, stimmte Aurelia zu und fühlte sich müde und wachsam zugleich. »Der Krach macht mir immer höllische Kopfschmerzen.«
»Mir auch, meine Liebe.« Die Frau tätschelte Aurelia das Knie. »Sag doch mal, was hat dich in die Stadt verschlagen?«
»Meine Schwester.« Wie verabredet erzählte Aurelia ihre Geschichte, und während sie sprach, wurde ihr klar, dass Greville hellwach war, obwohl er die Augen fest geschlossen hielt. Trotzdem hätte sie schwören können, dass er tief geschlafen hatte, bis sie mit ihrem Bericht angefangen hatte. Bestimmt hat er trotz seiner geschlossenen Lider alles ganz genau im Blick, überlegte sie sarkastisch. Das würde sie ihm zutrauen.
Der Tag schleppte sich dahin. Sie durchquerten Hampstead Heath und ängstigten sich mit gedämpfter Stimme über Straßenräuber, während der Papagei endlos Pfiffe ausstieß. Greville hielt die Augen geschlossen; manchmal war Aurelia überzeugt, dass er schlief. Dann wieder glaubte sie, dass er hellwach war … wenn sich zum Beispiel die Bewegungen der Kutsche oder die Geschwindigkeit veränderten. Insgeheim begann sie mit einem Spiel. Ab und zu schmückte sie ihre Bemerkungen mit ein paar Worten aus, die nicht zu ihrer Geschichte zu passen schienen, nur eine kleine Nuance, die niemandem auffallen würde. Aber jedes Mal schien Greville zu erwachen. Sie bemerkte es daran, wie seine Schultern sich versteiften, wie die Lider zart flatterten, obwohl sein Atem sich nicht veränderte.
Faszinierend … aber auch beneidenswert. Denn die übrige Zeit schlief er wirklich, selbst wenn er an eine Katze erinnerte, die einen siebten Sinn für Gefahren besaß, der sich niemals ausschalten ließ. Außerdem konnte Aurelia sich nicht vorstellen, in der Unbequemlichkeit dieser überfüllten, rumpelnden Kutsche auch nur ein Auge zuzutun - während der Papagei unablässig pfiff, ein Mitreisender genüsslich seine eingelegten Essigzwiebeln verzehrte und die Frau mit dem Vogel ihr großzügig ein Stückchen Pastete von geräuchertem Aal anbot.
Mit schwacher Stimme wehrte Aurelia die Großzügigkeit ab und schloss die Augen. Schlaf wollte sich nicht einstellen. Aber bald erreichte die Postkutsche ein Dorf und fuhr in einen Hof ein. Es war spät am Nachmittag. Die Stallburschen rannten herbei, um die Pferde zu wechseln.
»Hier ist Barnet … hier ist Barnet«, rief der Kutscher aus, »auf eine halbe Stunde, Ladys und Gentlemen. Versorgen Sie sich mit Proviant. Nächster Halt Watford.«
Greville reckte die Glieder, verließ das Gefährt so steifbeinig wie die anderen Reisenden auch. Nur Aurelia bemerkte, dass er im Grunde genommen überhaupt nicht verkrampft und bestens ausgeruht war, als sie seine Hand ergriff und auf das Kopfsteinpflaster trat. Sie unterdrückte ein Stöhnen, als ihre eigenen Muskeln gegen die plötzliche Bewegung protestierten.
»Und jetzt?«, fragte sie wenig abenteuerlustig.
»Das Schlimmste ist überstanden.«
»Das erleichtert mich sehr.«
»Kommen Sie.« Er schnappte sich ihre Kleidertasche und führte sie am Arm zum Gasthaus.
Das Haus war so überfüllt wie schon der Schankraum in Cheapside. Die Mitreisenden drängten sich hinein und bestellten lautstark Bier und eine Mahlzeit. »Bleiben wir hier?«, fragte Aurelia und versuchte zu verbergen, wie sehr die Aussicht sie irritierte.
»Nein.« Greville beruhigte sie. »Nur so lange, bis ich ein Pony und Zaumzeug ausfindig gemacht
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