Süße Fesseln der Liebe
versank in eine Art Trance, die ihr zwar nicht unbedingt Schlaf brachte, aber trotzdem recht erholsam war.
»Endlich sind wir da.« Mit der Peitsche deutete Greville auf ein paar Lichter voraus. »Die Reise ist zu Ende.«
Besser gesagt, jetzt fängt die Reise richtig an, schoss es Aurelia durch den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, was in den nächsten Tagen passieren würde; aber im Moment zog ihre Unsicherheit keinerlei Ängste nach sich. Aus welchen Gründen auch immer, Greville Falconer hatte eine Art an sich, die sie beruhigte und ihr das Gefühl gab, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Greville zügelte das Pferd im Hof eines strohgedeckten Farmhauses. Ein Junge kam aus dem Haus gerannt, ließ die Tür offen stehen, und der Lichtschein im Innern erhellte ihm ein wenig den Weg.
»Ich kümmere mich um die Pferde, Sir«, rief er eifrig und machte sich bereits am Geschirr zu schaffen.
»Danke, mein Junge.« Greville warf die Zügel auf die Sitzbank der Kutsche und sprang zu Boden, bevor er Aurelia die Hand hilfsbereit entgegenstreckte.
Steifbeinig trat sie auf das Kopfsteinpflaster. »Ich bin das Reisen so leid«, murmelte sie. Ein echter Agent im Dienste Seiner Majestät hätte sich vermutlich niemals über solche Unbequemlichkeiten des Alltags beklagt. Aber das interessierte sie im Moment herzlich wenig. Denn die Kälte drang ihr bis auf die Knochen, und trotz der Pastete rumorte es in ihrem Magen vor Hunger.
»Ah, da sind Sie endlich, Sir Greville … Madam, Sie müssen ja vollkommen durchgefroren sein. Kommen Sie schnell herein und wärmen Sie sich am Kamin.« Eine stämmige Frau mit geblümter Schürze war quer über den Hof zu ihnen gekommen, knickste und errötete, als Greville ihre Hand ergriff und ihr einen Kuss auf die rauen Wangen drückte.
»Machen Sie keine Umstände, Mary«, grüßte er warmherzig. »Aurelia, darf ich Ihnen Mistress Mary Masham vorstellen? Sie kennt mich aus der Zeit, als ich praktisch noch in der Wiege gelegen habe … Mary, das ist Lady Farnham.«
Aurelia trat näher und streckte der Frau die Hand entgegen. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mrs. Masham. Bitte entschuldigen Sie, es war ein langer und anstrengender Tag.«
»Aye, das glaube ich Ihnen gern, Ma'am. Bitte kommen Sie ins Haus. Sie werden sich schon bald besser fühlen.« Mrs. Masham eilte voran in eine große Küche mit Steinfußboden, in der eine riesiger Tisch stand. Die Wände waren mit Regalen bedeckt, von denen die wunderbarsten Düfte in den Raum strömten.
Ein Mann, der genauso stämmig war wie Mrs. Masham, saß am langen Tisch. Vor ihm stand ein Krug. Er schnitzte an einem Stück Holz; seine großen, rauen Hände führten das kleine Messer mit bemerkenswerter Geschicklichkeit. Als die Gäste die Küche betraten, nickte er ihnen einen schweigenden Gruß zu und widmete sich wieder seiner Arbeit.
»Das ist mein Mann Bert«, verkündete Mrs. Masham, »er spricht nicht viel. Aber er ist ein guter Mann.«
Bert quittierte das Lob mit Schweigen. Aurelia war unschlüssig, wie sie reagieren sollte, schaute Greville an.
»N'Abend, Bert«, grüßte der Colonel.
»N'Abend, Sir«, grüßte Bert zurück, schaute aber nicht auf.
Das schien es gewesen zu sein. Gedankenverloren fragte sich Aurelia, was die Frau wohl über die seltsame Verkleidung ihrer Gäste denken musste. Aber Mary hatte offenbar nichts Außergewöhnliches bemerkt. Sie ließ den duftenden Inhalt einer Bratpfanne in eine Zinnschüssel gleiten.
»Ein gewürzter Punsch wird eine Wohltat für Sie sein.«
Erleichtert streifte Aurelia sich den alten Umhang von den Schultern und nahm Mary den warmen Becher aus der Hand.
»Vielen Dank, Mrs. Masham.« Zufrieden steckte Aurelia die Nase in den dampfenden Becher und sog den Duft tief in sich ein.
»Ach, Mary reicht mir«, meinte die Frau freundlich, »es gibt nur wenig Leute, die mich anders nennen … was ist, Master Greville, wollen Sie nicht auch Ihren Punsch versuchen? Oder lieber einen Schluck von Berts kräftigem Bier?«
Aurelia verbarg ein Lächeln. Aus dem »Sir« war innerhalb kürzester Zeit der »Master« geworden, der Greville in seiner Kindheit offenbar für sie gewesen war. Aber er schien es nicht bemerkt zu haben; ungerührt erwiderte er, dass er ein starkes Bier vorziehen würde.
Bert erhob sich schwerfällig vom Tisch, verschwand in der Speisekammer und stellte den überschäumenden Krug dumpf krachend vor seinem Gast auf den Tisch. »Hier«, stieß er hervor
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