Süße Fesseln der Liebe
näherte. Innerlich jubelte sie über seine straffen Muskeln, die sich unter den zärtlichen Liebkosungen ihrer Fingerspitzen noch mehr zu straffen schienen. Seine Zunge erforschte ihren Mund, und sie reagierte auf ihn mit einem wilden Tanz, parierte ihn und drängte sich wieder vor. Es war, als wäre ihr Körper hell entflammt, als rauschte ihr das Blut wild durch die Adern, als gehörte die ruhige und beherrschte Witwe am Cavendish Square in eine andere Welt. Aurelia hieß das Gefühl jubelnd willkommen, jubelte innerlich, weil sie wusste, dass niemand - wirklich niemand in der gewöhnlichen Welt da draußen - ahnte, wo sie sich in diesem Augenblick aufhielt, oder sich auch nur im Entferntesten vorstellen konnte, was sie gerade tat.
Schließlich löste Greville seine Lippen von ihren und hob den Kopf. Tief sog er die Luft in die Lungen, strich mit den Fingern sanft über ihre geschwollenen Lippen, und in seinen Augen schimmerte ein wehmütiges Lächeln. »Oh, meine Liebe«, murmelte er, »langsam beschleicht mich der Verdacht, dass es mir schwerfallen wird, diesen Auftrag so nüchtern und sachlich abzuwickeln, wie ich es gern möchte.«
Aurelia trat einen Schritt zurück und ließ ihn los. Auch sie atmete tief durch, versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. Nicht nur, dass die körperliche Erregung sie vollkommen unvorbereitet getroffen hatte; sie konnte sich auch nicht erinnern, dass sie jemals zuvor solche Gefühle erlebt hatte. Ja, natürlich hatte sie es genossen, wenn Frederick sie geliebt hatte. Aber das Gefühl, dass ein wilder, überwältigender Sturm des Verlangens sie packte und durchrüttelte - das war neu.
»Wenn wir die Wirbelromanze überzeugend spielen wollen, dann sollten wir vielleicht nicht zu sehr auf Sachlichkeit und Nüchternheit setzen«, brachte sie mühsam hervor.
»Vielleicht.« Greville zog kaum merklich die Stirn kraus. Er verharrte reglos, beobachtete aufmerksam ihre Haltung. Aber diesmal beschlich sie das untrügliche Gefühl, dass er irgendwie durch sie hindurchschaute.
»Was ist los?«, platzte Aurelia heraus.
Greville war offenbar aus seiner Grübelei gerissen. »Nichts … gar nichts. Aber Sie sollten jetzt zu Bett gehen. Es wird spät.«
»Ja«, stimmte sie zu und ging zur Tür. »Morgen um acht werde ich unten sein.«
»Dann gute Nacht. Schlafen Sie gut.« Greville öffnete die Tür. Als sie an ihm vorbeiging, schien er absichtlich zurückzuweichen und achtete auf einen angemessenen Abstand zwischen ihnen. Aurelia lächelte verhalten und verließ das Wohnzimmer.
Oben im Zimmer packte sie ihren Handkoffer, bevor sie sich bettfertig machte. Aber mit den Gedanken war sie nicht bei der Sache. Greville hatte sie genauso leidenschaftlich geküsst wie sie ihn, hatte sich ihr genauso hingegeben. Warum hatte er dann Angst, seiner Leidenschaft und seinem Verlangen freien Lauf zu lassen? Befürchtete er, dass seine Leidenschaft ihn bei der Arbeit stören würde? Fürchtete er sich vor Verstrickungen, die streng genommen nichts mit ihrem Auftrag zu tun hatten?
In diesen Minuten konnte Aurelia sich diese Fragen nicht beantworten. Drei Monate lang, so hatte er vermutet, würde ihre Mission dauern, und in dieser Zeit würde sie ganz sicher Antworten finden. Denn sie würde sich wieder auf vertrautem Terrain bewegen, würde in vertrauten Situationen mit vertrauten Menschen umgehen - und mit frischer Kraft zur Tat schreiten können.
Aurelia legte sich ins Bett und stellte am nächsten Morgen überrascht fest, dass sie schon bald tief und fest eingeschlafen war. Es liegt auf der Hand, dass ein unruhiger Geist gegen einen erschöpften Körper keine Chance hat, dachte sie, als sie bei Sonnenschein und Vogelgezwitscher erwachte. Rasch zog sie sich an und eilte nach unten, wo Mary ihr erklärte, dass Master Greville schon gefrühstückt und das Haus verlassen hatte. Sie wollte selbst eine Kleinigkeit essen und in einer halben Stunde aufbrechen.
Zwanzig Minuten später erschien Greville in der Kleidung eines Farmers. »Ihre Kleidertasche ist bereits in der offenen Kutsche verstaut. Wenn Sie also so weit wären …«
»Ja, ich bin so weit.« Es war die einzig passende Antwort. Aurelia ließ Toast und Honig stehen. »Ich hole meinen Umhang.«
»Er liegt in der Halle.« Greville zeigte auf den Umhang, als er die Tür öffnete.
Es war offensichtlich, dass aus seinen Worten keinerlei Andeutung auf den vergangenen Abend herauszuhören war, weder verdeckt noch anderweitig. »Wenn es Ihnen nichts
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