Süße Fesseln der Liebe
den Salon und blieb zitternd in der Tür stehen. Während ihrer Abwesenheit hatte offenbar niemand ein Feuer angezündet. Das war natürlich vernünftig. Wenn allerdings der Prinz und die Prinzessin vorübergehend das Haus verlassen hätten, hätte ihr Majordomus die Kaminfeuer brennen lassen. In Erwartung ihrer Rückkehr hätte er im gesamten Haus die Lampen angezündet, und zwar Tag und Nacht. Aber Boris war selbstverständlich mit seinem Herrn und seiner Herrin nach New Forest gereist.
»Ich bringe einen ganzen Eimer voll Kohlen, M'lady.« Mit einer Messingschütte in der Hand kam Jemmy quer durch die Halle gerannt. »Werde in Windeseile ein Feuer entfachen, Ma'am«, versprach er, hockte schon am kalten Rost und machte sich hastig an die Arbeit. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis die Flammen aufloderten und die Kohlen glühten. Jemmy riss ein Streichholz an und hielt es an die Kerzen auf dem Kaminsims, bevor er schließlich die Vorhänge zurückzog. »Nett, dass Sie wieder hier sind, Ma'am. Hester ist schon auf dem Weg nach oben in Ihr Schlafzimmer.«
»Ausgezeichnet. Vielen Dank, Jemmy. Geh wieder in die Küche.« Aurelia eilte zur Anrichte, um sich ein Glas Sherry einzuschenken, das sie nach oben mitnehmen wollte.
Hester hatte die Vorhänge im Schlafzimmer bereits zur Seite gezogen und mühte sich mit dem Feuer im Kamin ab. »Oh, Ma'am, wir haben nicht mit Ihnen gerechnet«, meinte sie und hob den Kopf, als ihre Herrin eintrat.
»Nein, natürlich nicht, wie sollten Sie auch?«, erwiderte Aurelia lächelnd. »Schließlich habe ich Sie nicht benachrichtigt.« Sie legte ihren Umhang ab, merkte jetzt erst, wie schmutzig er war, nachdem sie ihn fünf Tage lang unter widrigen Bedingungen getragen hatte. Dann zog sie die Nadeln aus ihrem Hut und musterte sich grimmig im Spiegel über der Frisierkommode. Keine Locke hatte sich im Haar gehalten.
Hester würde nicht mehr genügend Zeit bleiben, wenn Aurelia in der Mount Street ankommen wollte, bevor Franny ins Bett gebracht wurde. Aurelia warf einen Blick auf die Uhr. Es ging schon auf halb sieben. Zögernd gestand sie sich ein, dass Franny bis morgen früh warten musste. Vielleicht wollten Harry und Cornelia abends ausgehen und machten sich bereits fein. Oder sie bereiteten sich darauf vor, Gäste zu empfangen. Aurelia dagegen sah schrecklich aus und hatte keine Zeit mehr, den Schaden zu begrenzen. Nein, sie war nicht vorbereitet, weder äußerlich noch innerlich, in ihre Welt zurückzukehren.
Sie brauchte einen ruhigen Abend, eine Nacht lang guten Schlaf, und morgen früh würde sie so rechtzeitig an die Tür in der Mount Street klopfen, dass sie mit ihrer Tochter zusammen frühstücken konnte.
Vorsicht ist besser als Nachsicht, überlegte sie und bat Hester, ihr ein Bad zu richten. »Nach dem Bad möchte ich ein kleines Abendbrot im Salon einnehmen. Bitte richten Sie Miss Ada aus, dass Sie mir ein Ei kochen soll. Oder irgendetwas anderes, was ihr nicht zu viele Umstände macht.«
»Aye, Ma'am.« Eilig verließ Hester das Zimmer. Aurelia nippte hin und wieder an ihren Sherry, während sie sich auszog.
Früh am nächsten Morgen erwachte sie und klingelte gleich nach Hester. Kaum eine halbe Stunde später befand sie sich an der frischen Luft auf einem strammen Spaziergang in die Mount Street. Als sie die Treppenstufen hinaufstieg, wurde bereits die Eingangstür geöffnet. Ein sehniger Mann erschien, in einen Übermantel gehüllt und die Mütze tief ins Gesicht gezogen.
»Oh, Lady Farnham, was führt Sie so früh zu uns?« Höflich zog er die Mütze vom Kopf.
»Guten Morgen, Lester. Ich war verreist und bin gestern Abend zurückgekehrt.« Cornelia pflegte Lester immer als Harrys rechte Hand zu bezeichnen, als seinen Flügeladjutanten. Um die Wahrheit zu sagen, gab es nicht viele Dinge in seinem Schattenleben, die Harry ohne Lester an seiner Seite unternahm.
»Oh, aye, bitte treten Sie ein, bestimmt wollen Sie die kleine Miss in die Arme schließen. Ich bin leider schon unterwegs. Die kleine Miss wird sehr glücklich sein, Sie zu sehen, Ma'am.« Lester trat zurück und hielt ihr die Tür auf.
»Ich kann es auch kaum erwarten«, gestand Aurelia lächelnd. »Sie sind ja wirklich früh dran.«
»Oh, aye«, stimmte er unumwunden zu und setzte sich die Mütze wieder auf. »Ich wünsche einen schönen Tag, Lady Farnham.« Lester sprang die Stufen hinunter und verschwand kurz darauf im Gewühl der Straßen.
Aurelia schüttelte lächelnd den Kopf. Lester ließ sich
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