Süße Fesseln der Liebe
schnappte sich die Weste.
»Du kannst kochen?«
»Bestimmt besser als du.« Er schlüpfte in seinen Mantel.
Aurelia lachte. »Das ist auch nicht schwierig. Mit Töpfen und Pfannen kenne ich mich gewiss nicht aus.«
»Frederick hat es gelernt.«
»Weil er es musste, vermute ich. Allerdings kann ich nicht erkennen, warum ich in diesem Spiel, auf das wir uns eingelassen haben, jemals vor der Notwendigkeit stehen sollte, mich mit den Geheimnissen der Kochtöpfe zu beschäftigen.«
»Stimmt«, meinte Greville, »aber sollen wir jetzt nicht besser unsere Hausbesichtigung fortsetzen? Du musst den Grundriss genau kennen, denn immerhin nutzen wir das Gebäude als Basis für unsere Einsätze.« Er ging zur gegenüberliegenden Tür und öffnete sie weit. »Dieses Schlafzimmer ist für die Hausherrin gedacht.«
Aurelia kam zu ihm und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, das ungefähr so groß war wie sein eigenes und keinerlei Auffälligkeiten aufwies. »Recht angenehm.« Sie spazierte durch das Zimmer und öffnete die Tür zum Boudoir. Oh, das ist wirklich wunderbar, dachte sie sehnsüchtig, wenn ich mir ein solches Haus leisten könnte, wären Franny und ich restlos glücklich.
»Dir geht durch den Kopf, wie gern du dieses Haus in deinen Besitz bringen möchtest«, vermutete Greville, stupste mit dem Zeigefinger ihr Kinn an und drehte ihr Gesicht zu sich.
»Sieht man mir das an?« Sie lächelte ein wenig schuldbewusst.
»Mir ist bewusst, dass du oft über deine finanzielle Situation nachdenkst.« Mit dem Daumen fuhr er über ihre Lippen. »Und darüber, wo du mit deiner Tochter wohnen wirst. Man sieht es dir an der Nasenspitze an, dass du dir unablässig den Kopf darüber zerbrichst.«
»Ja, vermutlich. Aber es ist so, dass ich immer mein eigenes Wohnzimmer hatte. Ein Zimmer für mich allein. Ich kann es mir nur schwer vorstellen, in einem Haus zu leben, in dem ich keinen privaten Rückzugsraum habe«, erklärte Aurelia und bemühte sich, trotzdem bescheiden zu klingen.
»Ich hatte angenommen, dass ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer reichen würden«, meinte Greville ehrlich verwirrt. »Warum braucht ein einziger Mensch so viel Platz? Viele Jahre meines Lebens habe ich nichts anderes mein Eigen nennen können als die Kleider, die ich am Leib trug. Und das, was ich im Ranzen auf dem Rücken mit mir herumschleppen konnte. Ein festes Dach über dem Kopf betrachte ich als Luxus.«
»Nun, du bist eben ein außergewöhnliches Individuum«, entgegnete Aurelia mit leicht ironischem Unterton, »aber ich bin mir sicher, dass deine Mutter ein eigenes Wohnzimmer hatte.« Kaum hatte sie ihren Satz zu Ende gesprochen, wurde Aurelia bewusst, dass sie zum ersten Mal auf seine persönliche Lebensgeschichte angespielt hatte. Dabei hatte Greville keine Ahnung, dass Mrs. Masham sie mit eindeutigen Hinweisen versorgt hatte.
»Oh, ja.« Seine Stimme klang plötzlich kalt und distanziert. »Sie hat einen gesamten Flügel des Hauses nur für sich allein bewohnt. Und überhaupt hat sie sich nicht gern in Gesellschaft bewegt.«
Nun, seine Worte passten zwar zu den Bemerkungen, die Mary über die Lippen geschlüpft waren, verrieten Aurelia aber nicht, was diese Worte zu bedeuten hatten. Aber sie war überzeugt, dass sich auf jeden Fall eine tiefere Botschaft in ihnen verbarg. Greville sah vollkommen unnahbar aus, der Tonfall klang eisig, die Augen blickten stumpf wie graue Steine, und um nichts in der Welt brachte sie es fertig, ihn danach zu fragen, was er mit seiner Bemerkung gemeint hatte.
»Es ist Zeit, dass wir das Haus verlassen.« Greville eilte an ihr vorbei und den Korridor entlang zur Treppe. Aurelia folgte langsam. In diesem Moment war es ausgesprochen schwierig, sich vorzustellen, welche Leidenschaft sie noch vor Kurzem geteilt hatten.
In der Halle wollte er die Eingangstür öffnen, hielt aber inne, drehte sich ihr zu und streckte ihr die Hände entgegen. Aurelia legte ihre Hände in seine; Greville drückte sie fest und zog sie zu sich heran.
»Aurelia, ich finde dich unwiderstehlich«, sagte er sanft, »irgendwie bist du unter meiner Deckung durchgeschlüpft, und das ist mir ein wenig unbehaglich. Falls es mich dazu drängt, mich nur kurz und knapp zu äußern oder mich zu distanzieren, dann bitte ich dich um Verständnis und um Vergebung. Um nichts in der Welt möchte ich dich unglücklich sehen. Ich möchte auch nicht, dass du wütend oder verärgert bist. Nein, ich will deine Wärme und deine Leidenschaft
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